Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
während ich mit der Fingerspitze die neue Narbe nachzeichnete, die noch immer rosa, aber wesentlich zarter war als vor der Operation.
Vielleicht werden wir wieder einmal einen Kaffee zusammen trinken. Hatte er das einfach so dahingesagt, wohl wissend, dass es nie eintreffen würde, oder hatte er es ehrlich gemeint?
Ich knipste das Licht aus, sodass mein Gesicht nur noch als vages Oval zu sehen war.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich die Worte oder Gesten eines Mannes deuten sollte.
Während der nächsten vier Tage war ich nervös und unruhig. Es widerstrebte mir sogar, auch nur zum Lebensmittelladen zu gehen, aus Angst, Dr. Duverger könnte vorbeischauen, wenn ich nicht zu Hause war. Jeden Tag zog ich eines meiner beiden guten Kleider an – entweder das blassgrüne Seidenkleid oder ein pflaumenfarbenes, das die Taille betonte –, und immer wieder überprüfte ich meine Frisur. Über den Esszimmertisch breitete ich eine gestärkte Spitzendecke. Ich backte einen Gewürzkuchen. Wann immer ich ein Motorengeräusch oder das Zuschlagen einer Wagentür zu hören meinte oder mir einbildete, Schritte auf dem Gartenweg zu vernehmen, begab ich mich zum Wohnzimmerfenster, das zur Straße hinausging.
Am fünften Tag hatte ich mein teenagerhaftes Benehmen dermaßen satt – natürlich hatte Dr. Duverger es nicht ernst gemeint, als er davon sprach, wir könnten uns wieder einmal auf einen Kaffee treffen –, dass ich den trocken gewordenen Kuchen in Scheiben schnitt und die Vögel vor dem Fenster damit fütterte. Ich zog die Spitzendecke vom Tisch und faltete sie ärgerlich zu einem ordentlichen Quadrat, ehe ich sie wieder im Wäscheschrank verstaute.
Dann streifte ich mir ein altes Hemd von meinem Vater über, schlüpfte in einen Overall mit erdverkrusteten Knien und rollte die Hemdsärmel hoch. Ich flocht mein Haar zu einem lockeren Zopf und ging in den Hintergarten hinaus, um Unkraut zu jäten. Nachdem ich den Garten während der vergangenen Wochen in der feuchten, alles beschleunigenden Sommerhitze ziemlich vernachlässigt hatte, war er ziemlich verwildert. Ich hackte und riss büschelweise Unkraut aus und rückte Disteln und Winden grimmig zu Leibe. Die Sonne schien warm auf meine nackten Arme, und es war wohltuend, die harte Erde umzugraben und zu sehen, wie das Grünzeug unter der Hacke willig nachgab. Ich war wütend auf Dr. Duverger, weil er mir zu verstehen gegeben hatte, er fände mich immerhin so interessant, dass er mich wiedersehen wollte. Aber mindestens ebenso wütend war ich auf mich selbst, weil ich vier Tage mit Tagträumen vergeudet hatte.
Ich schüttelte den Kopf, um die Gedanken zu verscheuchen, und rief mir stattdessen die delikaten Flügel des Faulbaumbläulings vor Augen. Und nahm mir vor, Mr Barlow zu bitten, mich an einem der kommenden Tage nach Pine Bush zu fahren. Und Ockergelb zu kaufen, das allmählich zur Neige ging.
Bei diesem Gedanken unterbrach ich meine Arbeit und hielt, auf die Hacke gestützt, einen Moment lang inne. Mit einem Mal wurde mir bewusst, dass meine Gedanken nicht länger vom Tod meines Vaters beherrscht wurden. Er war noch immer gegenwärtig, doch die überwältigende Traurigkeit ließ, zumindest in gewissen Stunden, allmählich nach.
Ich nahm das Jäten wieder auf.
» Ich habe geklopft, aber es kam keine Antwort.«
Als ich mich erschrocken umdrehte, sah ich Dr. Duverger am Gartenrand stehen. Er hatte Französisch gesprochen.
» Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe, Mademoiselle O’Shea. Wie gesagt, ich habe geklopft … dann habe ich ein Pfeifen gehört.«
» Pfeifen?« Ich hätte ihm gern auf Französisch geantwortet, fürchtete jedoch, mich zu blamieren, weil es ziemlich eingerostet und so anders war als seine Hochsprache. Weniger kultiviert.
» Wenn ich mich nicht irre, war es Grieg. › Solvejgs Lied‹, nicht wahr?«
Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass ich gepfiffen hatte.
» Mademoiselle O’Shea? Nun, offensichtlich störe ich Sie bei der Arbeit …«
» Nein, nein, Dr. Duverger, ich …« Ich rollte die Ärmel herunter, nachdem ich gesehen hatte, dass meine Unterarme und Hände mit Erde verschmiert waren. » Ich hatte einfach niemanden erwartet.« Wenige Augenblicke zuvor war ich noch wütend gewesen auf ihn, doch nun war ich glücklich, dass er gekommen war. Aber auch aufgeregt.
» Ich weiß, es ist unhöflich, einfach so vorbeizuschauen. Aber während der letzten Tage habe ich ziemlich viele Überstunden gemacht und heute überraschend ein
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