Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
mit den Fingern über den Rücken meines Zeichenblocks.
» Hätten Sie vielleicht Lust, hereinzukommen und eine Tasse Kaffee zu trinken?«, fragte ich, um das peinliche Schweigen zu unterbrechen. Kaum hatte ich die Worte gesprochen, bereute ich sie auch schon wieder. Was tat ich da? Was, wenn er nun höflich ablehnte? Aber mindestens ebenso unangenehm wäre es, wenn er sie annahm.
» Ja, ich würde gern einen Kaffee trinken. Merci«, sagte er, und mir blieb nichts anderes übrig, als ihn hereinzubitten.
Nachdem er weggefahren war, saß ich auf der Veranda und starrte die Straße hinunter. Mit meinen neunundzwanzig Jahren war ich zum ersten Mal in meinem Leben allein mit einem Mann in meinem Haus gewesen, abgesehen von meinem Vater oder dem Nachbarn. Als Dr. Duverger mir durch das Wohnzimmer in die Küche gefolgt war, raste mein Herz, und mein Hals war wie zugeschnürt. Als er dann am Küchentisch saß und ich Kaffee kochte, spürte ich, dass Dr. Duverger an diesem Tag irgendwie anders war. Binnen weniger Sekunden wurde mir klar, dass seine ruhige, professionelle Art, die er im Krankenhaus – dem Ort, an den er zu gehören schien und der ihm vertraut war – an den Tag legte, einer gewissen Beklommenheit gewichen war. Kaum hatte er meine Veranda und dann das Haus betreten, schien er sich unbehaglich zu fühlen, und sein Englisch wurde stockender, doch seine Miene ausdrucksstärker. Als Arzt mit Stethoskop und Krankenakte hatte er alles unter Kontrolle. Doch fern des Krankenhauses erkannte ich an ihm eine Unsicherheit, wie auch ich sie empfand, wenn ich aus der Geborgenheit der Juniper Road heraustrat. Ihn so zu erleben verlieh mir seltsamerweise ein ungekanntes Selbstvertrauen.
Er ist Arzt, aber ansonsten ist er auch nur ein Mann, sagte ich mir.
Er stellte mir noch ein paar Fragen zu meinen Skizzen in meinem Zeichenblock, und da ich bemerkte, wie sehr er auf Englisch um die richtigen Worte rang, bot ich ihm an, Französisch zu reden, falls ihm das lieber sei. » Ihr Französisch ist zwar anders als das meiner Mutter«, sagte ich, » und da ich es seit ihrem Tod vor sechs Jahren nicht mehr gesprochen habe, würde ich gern auf Englisch antworten, aber ich höre es wirklich sehr gern.«
Er nickte und nippte lächelnd an seinem Kaffee. » Obwohl ich jeden Tag Englisch spreche und normalerweise auch keine Probleme damit habe, gibt es doch … Situationen, in denen mir die Worte einfach nicht so leicht über die Lippen gehen.« Und dieses kleine Geständnis verstärkte mein Selbstvertrauen noch. Machte ich ihn nervös, so wie er mich nervös machte, und wenn ja, warum?
Wir unterhielten uns noch ein wenig über meine Malerei, dann fragte ich ihn, woher aus Frankreich er komme, und er sagte, er habe in Paris Medizin studiert.
In Amerika lebte er seit etwas mehr als fünf Jahren, erklärte er.
Nach einer halben Stunde und zwei Tassen Kaffee stand er auf. » Danke für den Kaffee.«
Ich folgte ihm zur Haustür. Er zog sie auf, drehte sich aber auf der Schwelle nochmals zu mir um und sah mich an. Plötzlich konnte ich kaum mehr atmen.
» Ich bin sehr froh, dass Sie sich zur Operation entschlossen haben«, sagte er. » Nun werden Sie wieder so schön sein wie vor Ihrem Unfall.«
Ehe ich antworten konnte, ging er in die einsetzende Dämmerung hinaus. Nachdem er die Wagentür geöffnet hatte, blickte er zu mir zurück. » Vielleicht werden wir wieder einmal einen Kaffee zusammen trinken!«, rief er, und da ich seinem Ton nicht entnehmen konnte, ob es eine Frage oder eine Feststellung war, nickte ich nur. Hinterher schalt ich mich, dass ich nicht fröhlich gelächelt oder » Ja, gern!« gesagt hatte, so als wäre es für mich etwas Alltägliches, von einem französischen Arzt auf einen Kaffee eingeladen zu werden.
Ich blickte den Scheinwerferlichtern seines Wagens nach, bis sie verschwunden waren, und blieb auf der Veranda sitzen, während sich um mich herum die Dunkelheit herabsenkte.
Schön, hatte er gesagt. Nun werden Sie wieder so schön sein wie vor Ihrem Unfall. Als ich versuchte, mir seinen Ausdruck in Erinnerung zu rufen, während er die Worte sprach, gelang es mir nicht, oder besser gesagt, gelang es mir nicht, ihn zu deuten.
Gewiss hatte der Arzt diese Worte geäußert – und nicht der Mann –, der zufrieden war mit seinem Werk. Ganz bestimmt, denn schön war ich auch ohne Narbe nicht gewesen.
Ich ging ins Haus zurück, knipste das Licht über dem Badezimmerspiegel an und betrachtete mein Gesicht,
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