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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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neue Dimension erhalten, ebenso wie die Bücher, die ich las. Oder wie die Sonne, die durch die Fenster schien, oder der Wind, der in den Blättern der Bäume säuselte. Alles, was ich hörte oder las oder sah – auch meine Bilder –, war verbunden mit einer neuen, unerwarteten Freude.
    Natürlich war das, was Etienne und ich begonnen hatten, keine konventionelle Beziehung, aber, so sagte ich mir, schließlich war ich ja auch keine konventionelle Frau. Ich wusste, dass mein Verhalten in den Augen der Gesellschaft und nach den Vorstellungen meiner Religion sündhaft war, und doch plagten mich keine Schuldgefühle. Ich fühlte mich gut, außerdem wusste ich, auch wenn keiner von uns von Liebe oder der Zukunft sprach, dass Etienne mich ebenso liebte wie ich ihn. Eine Frau weiß diese Dinge.
    Mit ruhiger Gewissheit wusste ich auch, dass er mir bald einen Heiratsantrag machen würde, sodass unser sündhaftes Leben ein Ende hätte. Wie ein Schulmädchen schrieb ich meinen zukünftigen Namen auf ein Blatt Papier, um es später dann im Kamin zu verbrennen: Mrs Etienne Duverger. Sidonie Duverger. Der Name hatte für mich einen wunderbaren Rhythmus.
    Unsere Gespräche faszinierten mich zusehends. Nie zuvor hatte ich mit jemandem intellektuelle Diskussionen geführt. Zwar hatten mein Vater und ich uns ausgiebig über die Ereignisse in der Welt unterhalten, aber nie wirklich Streitgespräche geführt. Ob es daran lag, dass wir uns einig über alles gewesen waren?, fragte ich mich. Ich erinnerte mich nicht mehr. Aber vielleicht war der Grund, warum es mit Etienne anders war, der, dass unser Verhältnis ein leidenschaftliches war. Und die Leidenschaft machte sich auch in unseren Gesprächen bemerkbar, auf dieselbe Weise, wie sie entflammte, sobald wir einander berührten.
    Für mich waren unsere Debatten eine Herausforderung, die ich sehr genoss. Seine Argumente waren anspruchsvoll, aber andererseits hörte er sich auch meine Meinung offen und mit einer Bereitschaft an, sich gegebenenfalls meiner Sichtweise anzuschließen. Und die Tatsache, dass er so hohe Erwartungen an mich hatte, zeigte mir, dass er mich als intellektuell ebenbürtig betrachtete, und das schmeichelte mir.
    Eines Dezemberabends, als es draußen allmählich dunkel wurde, saßen wir auf dem Sofa. Zinnober sprang mir auf den Schoß, und ich streichelte sie abwesend.
    » Wurde sie taub geboren?«, fragte er.
    » Ich nehme es an. Jedenfalls war sie es schon, als ich sie als kleines Kätzchen bekommen habe.«
    » Hoffentlich hast du darauf geachtet, dass sie keine Jungen zur Welt brachte.«
    Ich sah ihn an. »Das hat sie bestimmt nicht. Aber warum sagtest du ›hoffentlich‹?«
    » Weil es besser so ist.«
    Ich sah ihn verwundert an.
    » Wegen ihrer Taubheit wäre es nicht gut, wenn sie Nachwuchs bekäme und ihr Gebrechen womöglich weitergäbe.« Er nippte an seinem Bourbon. Während unserer gemeinsamen Abende trank er stets Bourbon, doch schien der Alkohol ihm nichts auszumachen. » Sie leidet schließlich unter einer Anomalie. Und das Problem mit Anomalien ist, dass sie eine Spezies, wenn sie sich innerhalb dieser vermehren, schwächen können.«
    Etienne war fasziniert von der menschlichen Erblehre, und wann immer er über das Thema sprach, wurde er lebhaft. Irgendwie gelang es ihm, die Wissenschaft von den Genen wie ein faszinierendes Gesprächsthema klingen zu lassen. » Erinnerst du dich, wie ich dir von den Mendel’schen Regeln erzählt habe? Dass jeder lebende Organismus zur Hälfte von den väterlichen und zur Hälfte von den mütterlichen Genen bestimmt wird?«
    » Ja.«
    » Es ist also ganz einfach. Nur dem starken, vollkommenen Menschen sollte es erlaubt sein, sich fortzupflanzen. Denk doch, Sidonie. Denk, welche Aussichten die Welt hätte, wenn es keine Schwachen gäbe. Keine Kranken, weder geistig noch körperlich.«
    Ich hielt den Atem an. Merkte er denn nicht, dass ich ganz besonders sensibel war, was dieses Thema betraf? Dass ich eine der Behinderten war, von denen er sprach? Ich wandte den Blick von ihm ab. » Aber glaubst du nicht, dass auch etwas, was mit einem Makel behaftet ist, eine gewisse Attraktivität innewohnen kann?«
    Er kannte mich zu gut. » Sidonie.« Er legte die Finger unter mein Kinn und zwang mich, ihn wieder anzusehen. Er lächelte ganz leicht. » Du warst krank. Das ist nicht genetisch bedingt. Und die Krankheit hat dich stärker gemacht, statt dich zu schwächen. Du weißt, dass du für mich in jeder Hinsicht schön

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