Der Duft
Amerikaner mittleren Alters in einem grauen Anzug.
Er sprach Deutsch mit starkem Akzent. »Wissen Sie nicht, dass ein tätlicher Angriff auf einen Angehörigen der US-Truppe strafbar
ist?«
Marie ruckte nervös auf ihrem Stuhl herum. Sie befand sich in einem kleinen, fensterlosen Raum in der Botschaft, der nur mit
drei Stühlen und einem Tisch ausgestattet war. Ein Bild von Präsident Zinger vor einer US-Flagge war die |309| einzige Dekoration. Die Hände waren ihr mit Plastikband auf den Rücken gefesselt. Es schnitt ihr in die Handgelenke und behinderte
die Durchblutung, sodass ihre Finger sich bald taub anfühlten.
»Ich hatte nicht die Absicht, ihn zu verletzen.«
»Aber sie haben ihm die Waffe aus der Hand gerissen. Nach amerikanischem Recht läuft das auf dasselbe hinaus. Warum haben
Sie das getan?«
»Ich wollte, dass Sie mir zuhören. Ich habe keine andere Möglichkeit gesehen, als etwas zu tun, damit Sie mich verhaften und
verhören.«
»Auf jeden Fall haben Sie sich und Ihren Freund in ziemliche Schwierigkeiten gebracht!«
Marie lachte leise. »Schwierigkeiten? Sie haben ja keine Ahnung, was wir in den letzten Tagen durchgemacht haben! Von welcher
Behörde sind Sie? CIA?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Ich bin nur ein einfacher Botschaftsangestellter. Zufällig der Einzige hier, der Deutsch spricht.«
»Hören Sie, ich muss unbedingt mit jemandem von einer Sicherheitsbehörde sprechen«, sagte Marie. »Ich habe wichtige Informationen
über einen geplanten Terroranschlag auf die Friedenskonferenz in Riad.«
Das Gesicht des Mannes zeigte keine Regung. Marie ahnte, dass er mehr war als nur ein einfacher Beamter des Außenministeriums.
»Reden Sie«, sagte er nur. »Man wird Ihnen zuhören, das versichere ich Ihnen.«
Und Marie erzählte die ganze Geschichte. Sie sprach Englisch, weil sie wusste, dass der Mann im Raum nicht der Einzige war,
der mithörte. Als er merkte, dass sie fehlerlos und fast akzentfrei Englisch sprach, stellte er auch seine Fragen in seiner
Muttersprache, doch er unterbrach sie selten und nur, um sicherzustellen, dass er etwas richtig verstanden hatte.
|310| Irgendwann zwischendurch ließ er ihr die Handfesseln entfernen und bestellte Kaffee, der wässrig schmeckte, aber Marie trotzdem
willkommen war.
Als sie geendet hatte, nickte er. »Wenn Ihre Geschichte stimmt, dann sind Sie eine sehr mutige Frau!«
»Was werden Sie jetzt tun?«
»Wir werden Ihre Angaben überprüfen. Es liegt nicht in meiner Hand, zu entscheiden, was weiter geschieht. Ich kann die Informationen
nur an die zuständigen Stellen weiterleiten. Aber Sie können sicher sein, wir werden Ihre Angaben nicht auf die leichte Schulter
nehmen.«
»Was ist mit meinem Kollegen, Rafael Grendel?«
»Er wird parallel verhört. Sie wissen sicher, dass wir die Möglichkeit haben, Sie hier in der Botschaft festzuhalten. Immerhin
haben Sie sich unerlaubt auf das Gelände begeben und einen unserer Wachmänner attackiert. Ich persönlich würde es allerdings
vorziehen, Sie blieben freiwillig hier und wären eine Zeitlang unsere Gäste, für den Fall, dass wir weitere Fragen haben.«
Marie nickte. »Einverstanden. Ich hätte nur eine Bitte: Ich würde gern telefonieren. Mein Vater erwartet, dass ich morgen
in Berlin ankomme.«
Der Mann nickte. »Selbstverständlich. Mein Name ist übrigens James Anderson.« Er reichte ihr die Hand.
Marie erwiderte seinen Händedruck und lächelte. »Danke, dass Sie mir zugehört haben, Mr. Anderson.«
Er erwiderte das Lächeln. »Danke, dass Sie zu uns gekommen sind.«
Er führte Marie zu einem Gästezimmer der Botschaft. Es war komfortabel eingerichtet, mit eigenem Bad und einem bequemen Kingsize-Bett.
Internationale Tageszeitungen lagen auf dem Nachtschrank.
»Ich möchte Sie bitten, das Zimmer nicht zu verlassen«, sagte Anderson. »Sie können das Telefon dort benutzen. |311| Wenn Sie noch etwas benötigen, wählen Sie einfach die Neun.« Damit ließ er sie allein.
Marie rief ihren Vater an. Um ihn nicht noch mehr zu beunruhigen, erzählte sie nichts davon, wie sie es geschafft hatte, in
die US-Botschaft zu kommen. Sie sagte nur, dass sie noch einige Zeit hier bleiben würde, um die US-Behörden beim Kampf gegen
Ondomar zu unterstützen.
»Mir wäre es lieber, du wärst in Deutschland«, sagte ihr Vater. »Aber die US-Botschaft ist wahrscheinlich der bestgesicherte
Ort im ganzen Sudan. Viel Glück, und melde dich, sobald du weißt, wann
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