Der Duke, der mich verführte
mich lieben?“
Sie ballte die Hände. Kam es ihr nur so vor, oder erwartete er, dass sie ihm alles gab, während er nichts zu geben bereit war? „Nein, Radcliff. Das könnte ich nicht.“
„Aber warum denn nicht? Ich bin dein Ehemann. Es ist deine Pflicht, mich zu lieben und zu ehren.“
Er war wirklich ein hoffnungsloser Fall. Ganz besonders, wenn er betrunken war. „Du gibst mir wenig Anlass, dich zu lieben, meinst du nicht auch?“
„Oh, das lässt sich ändern. Komm her.“ Und schon hatte er sie gepackt, sich über sie gebeugt und ließ seine Zunge über ihren Hals abwärts gleiten. „Liebst du mich jetzt? Oder soll ich dir noch mehr bieten?“
Mit einem Laut der Entrüstung machte sie sich von ihm frei. „Radcliff!“
Er ließ von ihr ab und torkelte lauthals lachend zurück. Seine schweren Schritte hallten im Dunkel des Zimmers wider. Mit einem lauten Rumms prallte er gegen den Schreibtisch, stützte sich darauf und lachte weiter. „Das muss man sich mal vorstellen: Da habe ich zwei schöne Frauen im Haus. Zwei! Und bekomme nicht mal eine.“
Er schien sich gar nicht mehr einzukriegen.
Als ob es hier etwas zu lachen gäbe.
Justine rang nach Luft und wich noch weiter zurück. Um seinetwillen, ganz zu schweigen um ihretwillen und um ihrer Ehe willen, musste sie ihm irgendwie begreiflich machen, dass er der Rettung würdig war – und ihrer bedurfte. Er musste davon überzeugt werden, dass er besiegen könne, was immer seiner Seele so sehr zusetzte. „Dass du den Ernst der Lage nicht zu erkennen scheinst, gibt mir Grund zur Sorge, Radcliff. Ich bin wild entschlossen, dich zu unterstützen, doch alles hat seine Grenzen. Das ist dir hoffentlich bewusst.“
Sein Lachen verstummte jäh. Er wandte sich ihr zu. „Meine liebste Justine“, sagte er mit rauer Stimme. „Mach dir um mich keine Sorgen. Warum solltest du dir mein Seelenheil zur Aufgabe machen? Ich, Radcliff Edwin Morton, bin mit vierzehn zum Duke geworden und habe mich seitdem um alle und alles gekümmert – um das Anwesen, die Dienstboten, die Pächter, sogar um meinen eigenen Bruder habe ich mich gekümmert –, und nicht einmal, kein einziges Mal, war ich dabei auf fremde Hilfe angewiesen. Ich komme schon allein zurecht.“ Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, nickte er so heftig, dass er wieder ins Schwanken geriet und sich am Schreibtisch festhalten musste. „Was ich jetzt brauche, ist ein wenig Abstand von dir. Wenn du in der Nähe bist, bin ich zu nichts mehr zu gebrauchen. Ich … es geht einfach nicht.“
Unsicher auf den Beinen versuchte er sich aufzurichten, und plötzlich war seine dunkle Gestalt aus ihrem Blickfeld verschwunden, gefolgt von einem dumpfen Poltern.
„Radcliff!“ Justine eilte zu ihm, stolperte durch das Dunkel. Das Herz schlug ihr so heftig, dass sie kaum noch Luft bekam.
Neben ihm fiel sie auf die Knie, tastete sich blind an den Knöpfen einer Weste hinauf, spürte das gestärkte Linnen seiner Krawatte, fand seine Schultern. Er trug noch den Rock, den er während des desaströsen Dinners angehabt hatte. Sie streichelte seine warmen, bartstoppeligen Wangen, die weiche, wulstige Haut seiner Narbe. Er atmete. Gott sei Dank. Aber warum bewegte er sich nicht? Warum reagierte er nicht auf ihre Berührungen?
Ihrer Kehle entrang sich ein hilfloses Schluchzen, doch dann nahm sie sich zusammen und gab sich alle Mühe, die Fassung zu wahren. „Jefferson!“, brüllte sie in Richtung der offenen Tür, durch die schwacher Lichtschein hereindrang. „Jefferson!“
Als just in diesem Augenblick kräftige Hände ihre Arme packten, blieb ihr schier das Herz stehen. Sie spürte Radcliffs Finger durch den feinen Stoff ihres Kleides. „Nein“, zischte er. „Ich brauche niemanden. Weder dich noch ihn. Geh jetzt. Ich will allein sein. Ich muss jetzt allein sein.“
„Oh, Radcliff“, wisperte sie und merkte, wie eine heiße Träne über ihre Wange rann. Warum nur musste sie ihn so sehr lieben? Und warum wollte sie unbedingt daran glauben, dass er sich ändern könne? Wenn er es doch selbst nicht glaubte?
Sie beugte sich über ihn und umfing sein Gesicht mit ihren Händen. „Du bist nicht allein. Nicht mehr. Du hast jetzt mich. Ich werde immer für dich da ein. Das weißt du doch, oder?“
Der Druck seiner Finger ließ ein wenig nach, und leise flüsternd erwiderte er: „Ja, das weiß ich. Und ein Glück, dass du so verdammt gut vögeln kannst, sonst würde ich das gewiss nicht überleben.“
Mit einem
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