Der Dunkle Code
erfüllen, und hatte innerhalb einer halben Stunde den Namen des Bewohners der Villa Mariluce herausbekommen.
Aber Paolo hatte noch mehr erzählt: Die italienische Polizei hatte gerade eine knappe Pressemitteilung herausgegeben, der zufolge man das Gemälde von Caravaggio unbeschädigt zurückerhalten habe. Von Verhaftungen war nicht die Rede, auch nicht von Lösegeldforderungen, geschweige denn davon, ob Geld geflossen war, aber Aaro hielt es für sicher, dass man eine stattliche Summe für das Bild gezahlt hatte. Nun würde auf den Verschwörungsseiten im Internet wieder die Hölle los sein!
Essi konnte sich eine boshafte Bemerkung über Aaros eingebildete Informationen nicht verkneifen. Tatsächlich plagte ihn eine Zeit lang ein merkwürdiges Gefühl der Niederlage, weil das Bild wieder aufgetaucht war.
Der Täter war aber nicht gefunden worden. Jedenfalls war in den Nachrichten nicht von Verhaftungen die Rede. Die Verbrecher befanden sich auf freiem Fuß, weshalb kein Anlass bestand, die Ermittlungen zu beenden. Ein Kunstraub verjährte ja wohl nicht so schnell?
Aaro hatte nun einen Zettel vor sich, auf dem der Name des Mieters der Villa in Faleria stand: Hans-Martin Weymann, Schildestraße 12, 40 885 Ratingen, Germany. Auch eine Telefonnummer gab es, eine Handynummer mit der Vorwahl 0172.
Er suchte mithilfe eines Kartenprogramms im Internet nach der Adresse. Sofort teilte ihm der Rechner kühl mit, dass es in der besagten Stadt keine Straße gab, die so hieß.
Blieb die Telefonnummer, aber Aaro zögerte. Wenn er mit seinem Handy oder vom Festnetzanschluss aus anrief, hätte der Empfänger Aaros Nummer und ohne größere Probleme auch seine Adresse. Er könnte höchstens zu einem öffentlichen Fernsprecher gehen …
Plötzlich hatte er eine Idee. Die finnische SIM-Karte, die er benutzte, wenn er im Urlaub bei seiner Oma in Porvoo war, lag in einem Kästchen in seinem Schreibtisch. Es war eine Prepaid-Karte, weshalb man sie nicht lokalisieren konnte. Aaro setzte die Karte in sein Handy ein und wählte mit pochendem Herzen die deutsche Nummer.
Es läutete sieben Mal, dann meldete sich eine leise, kultiviert klingende Stimme. Eindeutig eine ältere männliche Person, die Deutsch sprach, stellte Aaro fest, dann brach er die Verbindung ab.
Seine eigene Stimme war viel zu auffällig, klang viel zu jung. Jemand anders musste mit dem Mann reden. Der Deutsche war vor einigen Tagen im Begriff gewesen, die Villa in Italien zu verlassen, woraus sich schließen ließ, dass er jetzt zu Hause war, wahrscheinlich irgendwo in Deutschland.
Aaro hatte die nächste gute Idee, wie er fand. Jemand könnte den Deutschen anrufen und sich als Nachmieter der Villa vorstellen oder als deren Besitzer. Und er könnte sagen, es sei wichtige Post für Hans-Martin Weymann in der Villa angekommen, zum Beispiel eine Wertsendung. Und dann könnte er fragen, wo Herr Weymann wohnte, damit er die Sendung an ihn weiterschicken konnte.
Aaro bewunderte seine eigene Idee, genauer gesagt seine Genialität. Aber wie konnte man das glaubwürdig hinkriegen? Dann kam ihm Paolos hilfsbereites Gesicht in den Sinn. Paolo würde ihm helfen – jedenfalls, wenn Essi ihn darum bat …
Dietrich Gruber war verdutzt. Der Anrufer hatte einfach aufgelegt. So etwas verhieß nichts Gutes.
Nachdenklich ließ Gruber den Blick über den Schreibtisch schweifen, auf dem vier verschiedene Mobiltelefone lagen. Auf dem Handy, an das der Anruf gegangen war, haftete ein Stück Klebeband mit der Aufschrift VILLA, FALERIA.
Alles sollte so normal und legal wie möglich aussehen. Darum musste Gruber für den Vermieter des Hauses in Italien und für den Makler auch später noch erreichbar sein, falls überraschende Zusatzkosten oder dergleichen anfallen sollten. Er durfte nicht »der geheimnisvolle Deutsche« sein, sondern wollte ganz offiziell als Hans-Martin Weymann auftreten, mit dem Namen aus seinem falschen Pass. Auch das Nummernschild des gemieteten Audis war gefälscht.
Gruber kniete sich im Schein des Kaminfeuers wieder auf den Perserteppich, schaltete die Halogenlampe an und vertiefte sich mit verzweifeltem Eifer in das Entschlüsseln des Codes. Auf dem Teppich hatte er eine große Karte von Österreich ausgebreitet, die er nun noch einmal genau mit der Lupe untersuchte.
Der Name Parzifal musste mit irgendeinem Ort oder Objekt in den österreichischen Alpen in Verbindung stehen, hatte Dietrich Gruber geschlossen. Er klapperte alle möglichen Ortsnamen in den
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