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Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Titel: Der dunkle Geist des Palio (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Frank
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Wünsche, die der bedeutenden Familie Morelli dargeboten wurden, huldvoll lächelnd entgegen. Links von ihr stand ihre Mutter, rechts ihr Vater, und ihre beiden Brüder standen hinter ihr auf dem Balkon des bedeutenden Würdenträgers der Stadt, der es sich nicht hatte nehmen lassen, sie einzuladen. Die Übelkeit und der Schwindel überfielen sie in immer kürzeren Abständen und eine bleierne Müdigkeit hatte von ihr Besitz ergriffen, gegen die sie sich kaum zur Wehr zu setzen wusste. Mit ihren schmalen Händen umklammerte sie die Brüstung, als fürchtete sie, hinunterzufallen, wenn sie auch nur für einen Augenblick loslassen müsste.
    Während der Segnung des Pferdes hatte sie sich noch ganz wohl gefühlt. In der Kirche war es angenehm kühl gewesen und sie konnte sitzen. Jetzt aber brannte die Sonne auf ihr Haupt, als wollte sie den letzten Rest Lebenskraft aus ihr heraussaugen.
    Mit mäßigem Interesse verfolgte Eva Maria den corteo storico, den historischen Festzug, der vor ihren Augen auf die Piazza del Campo einzog. Der Streit mit ihrem Vater überschattete die Freude an diesem Ereignis. Sie wollte diesen Palio einfach nur schnell hinter sich bringen, um sich dann ganz den Hochzeitsvorbereitungen widmen zu können. In zwölf Tagen konnte sie den ungeliebten Namen Morelli ablegen. Dann würde sie endlich Eva Maria del Pianta sein!
    Das unentwegte Läuten des sunto, der Glocke des Torre del Mangia, bereitete ihr Kopfschmerzen, doch sie würde das alles ertragen müssen, bis der Umzug beendet und alle vierzehn Gruppen auf dem Platz eingezogen waren. Die Stabträger, die Fahnenträger, Trommler, Trompeter, Armbrustschützen, die Repräsentanten und Würdenträger der Stadt und schließlich der von vier weißen Ochsen gezogene Triumphwagen mit dem Palio, der den Abschluss des Zuges bildete.
    Eva Marias Herzschlag beschleunigte sich, als sie unter den Reitern Lorenzo auf seinem soprallasso, dem Paradepferd, entdeckte. Aber ihr Verlobter blickte nicht zu ihr hoch. Gewiss war er voll und ganz auf das bevorstehende Rennen konzentriert. Sie hörte ihren Vater neben sich missmutig brummen. Also hatte er ebenfalls bemerkt, dass sein zukünftiger Schwiegersohn ihm und seiner Tochter den ehrerbietigen Gruß verweigerte.
    Zorn stieg in ihr auf, denn schließlich trug einzig und allein ihr Vater die Schuld daran, dass Lorenzo sich so abweisend verhielt. Wenn er ihm nur ein bisschen mehr Wohlwollen entgegengebracht hätte, dann wäre zwischen ihnen alles viel leichter gewesen.
    Eva Maria betrachtete die Menschenmassen, die sich nach und nach auf dem Campo versammelten, und stutzte, als sie merkte, dass ein junger Mann, der ihr gänzlich unbekannt war, sie aufdringlich musterte. Selbstbewusst erwiderte sie seinen forschen Blick, bis ihr klar wurde, dass der Fremde nicht sie, sondern ihren Vater ansah, der dicht neben ihr stand.
    Jetzt schien auch ihr Vater auf den Mann aufmerksam zu werden. Als sich die Blicke der beiden trafen, nickte der Fremde kaum merklich, dann wandte er sich eilig ab.
    Nur zu gern hätte Eva Maria ihren Vater gefragt, wer der Mann war und warum er ihm zugenickt hatte. Doch sie wusste, dass sie keine andere Antwort als eine Zurechtweisung zu erwarten hatte, wenn sie es wagte, ihre Frage zu stellen.
    Dieses Jahr kam ihr der Umzug schier endlos vor. Immer wieder musste sie ein Gähnen unterdrücken. Und als er schließlich vor der Tribüne am Palazzo Pubblico sein Finale fand, konnte sie einen erleichterten Seufzer nicht zurückhalten. Der Palio wurde vom Triumphwagen gehoben, auf das Podest für die Richter am Start- und Zielpunkt getragen und dort für alle gut sichtbar aufgehängt.
    Dann krachte ein Böller und die Reiter kamen, jetzt auf ihren Rennpferden, aus dem Innenhof des Palazzo Pubblico. Eva Maria entdeckte Lorenzo im Kostüm des Panthers und hörte ihren Vater »Aquila vola!« rufen, als der fantino des Adlers sein Pferd an ihnen vorbei zum Startpunkt führte. Eva Marias Blick aber ruhte auf ihrem Verlobten, der einen hübschen Fuchs mit halbmondförmiger Blesse ritt. Das Tier machte einen sehr ruhigen Eindruck, so als würde es das ganze Drumherum nichts angehen. Lorenzo strich ihm wieder und wieder begütigend über den Hals. Machte er sich etwa Sorgen um das Pferd? Ihr Herz schwoll an vor Liebe zu diesem feinfühligen Mann, der sich sogar um das Wohlergehen eines Tieres kümmerte.
    Während die fantini ihre Pferde im Kreis führten, verkündete der Startrichter die ausgeloste Aufstellung der

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