Der dunkle Geist des Palio (German Edition)
als wüsste sie bereits von dem traurige Ende, das ihr bevorstand.
Völlig unpassend zu diesem Ernst drang jetzt ausgelassenes Gelächter durch die dünne Fensterscheibe zu ihr herauf. Neugierig wandte Maria sich um und blickte in den dunklen Garten hinab, der nur vom silbernen Mondlicht erhellt wurde. Erschrocken wich sie zurück in den Schatten. Um keinen Preis der Welt wollte sie von den beiden Menschen, die dort unten standen und sich so blendend miteinander unterhielten, entdeckt werden, während sie sie heimlich beobachtete! Maria drückte sich noch enger in den Schatten der Wand und versuchte gleichzeitig, weitere Blicke auf das Geschehen im Garten zu erhaschen.
Wie hübsch Antonia doch war. Ihr auffallend blondes Haar leuchtete mit dem Mondlicht um die Wette. Und selbst auf die Entfernung konnte sie sehen, wie sehr die junge Frau den Mann anhimmelte, der so dicht vor ihr stand, als wollte er sie jeden Augenblick in die Arme schließen.
Eifersucht und Misstrauen umklammerten Marias Herz wie ein Schraubstock. Da unten flirtete Angelo mit seiner Ex, während sie sehnsüchtig auf ihn wartete! Das liebende, sorgende Weib, voller Verständnis und Geduld! Während sie dachte, der arme Mann hätte so viel zu tun, dass er sie höchst widerwillig warten lassen musste, ließ er sich von der vollbusige Blondine schöne Augen machen! Dieser Mistkerl! Über dem vom Mondlicht beschienen Paar ragten die dürren kahlen Äste des Baums, an dem sich Eva Maria erhängt hatte, wie um Hilfe flehende Arme in den Nachthimmel.
Maria schauderte und wandte sich ab. Erneut fiel ihr Blick auf das Porträt der jungen Frau, die ihren Namen trug und die ihr so ähnlich sah und die … das gleiche Schicksal hatte? Sie machte zwei zaghafte Schritte auf das Ölgemälde zu und berührte es sacht. »Willst du mir eine Warnung zukommen lassen?«, flüsterte sie in der Stille des leeren Hauses und kam sich augenblicklich albern vor.
Pling machte es leise, die Deckenbeleuchtung erlosch und ließ Maria allein in der Dunkelheit zurück. Sie wandte sich um und wagte einen neuen Blick aus dem Fenster. Jetzt konnte sie die zwei Gestalten im Garten, die sich gerade voneinander verabschiedeten, noch besser erkennen. Angelo hielt Antonia an den Händen und küsste sie auf die Wangen. Ihre Finger entglitten einander nur widerwillig, fast streichelnd, hielten sie sich ein wenig zu lange fest.
Maria spürte, wie ihr Blut in Wallung geriet. Brüsk wandte sie sich ab und eilte zurück in ihr Zimmer.
Als es kurz darauf an der Haustür schellte, verschränkte sie ihre Arme vor der Brust und blickte starr geradeaus. Wenn es auf der Welt einen Menschen gab, den sie jetzt nicht sehen wollte, dann war das Angelo.
Doch Angelo gab nicht auf. Er schellte noch einmal und noch einmal. Schließlich zog er seinen eigenen Schlüssel aus der Tasche und schloss die Haustür selbst auf. Vielleicht schlief Maria schon und hörte ihn nicht? Dabei war seine Sehnsucht nach ihr so groß wie nie zuvor. Er musste sie endlich in die Arme schließen! Vorsichtig klopfte er nur Sekunden später an ihre Zimmertür.
Und als sie vor ihm aufschwang, gab sie den Blick auf eine wahre Rachegöttin frei. Mit zornesroten Wangen funkelte Maria ihn an und Angelos erster Gedanke war, wie schön sie aussah, wenn sie wütend war.
»Du Mistkerl!«, schleuderte sie ihm zur Begrüßung entgegen.
Überrascht riss er die Augen auf.
»Was bildest du dir eigentlich ein? Ich sitze hier und warte auf dich und du machst es dir im Mondenschein mit dem Hausmädchen gemütlich? Wie romantisch!«
»Wovon redest du?«
»Jetzt tu doch nicht so scheinheilig! Ich habe alles gesehen!« Wütend stemmte sie die Fäuste in die Taille.
»Was hast du gesehen?«
»Dich und Antonia! Küsschen hier, Küsschen da …«
»Wir haben geredet, sonst nichts.«
»Ach so, geredet habt ihr! Und dafür muss sie so nah vor dir stehen, dass sie dir ihre Titten fast ins Gesicht drückt, ja?«
Angelo schüttelte angewidert den Kopf. Er konnte es nicht leiden, wenn sich Maria so vulgär ausdrückte. »Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was du von mir willst«, antwortete er mit beherrschter Stimme. »Natürlich rede ich mit Antonia, wenn ich sie sehe. Warum sollte ich das auch nicht tun? Immerhin waren wir fast ein Jahr zusammen. Da ist man nun mal vertraut miteinander. Aber sie hat mir ganz bestimmt nicht ihre ›Titten‹ ins Gesicht gedrückt.«
Maria schnaubte. »Vertraut«, stieß sie hervor »Ihr habt geflirtet! Verkauf
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