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Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Titel: Der dunkle Geist des Palio (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Frank
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während sie sich ebenfalls eine Tasse Kaffee.
    Ihr Vater grunzte nur zur Antwort.
    Maria runzelte die Stirn. »Alles in Ordnung?«, fragte sie und setzte sich ihm gegenüber an den Tisch.
    Mit einem Seufzer ließ ihr Vater die Zeitung sinken. »Nein, leider nicht. Leider ist alles ganz und gar in Unordnung.«
    Maria horchte auf. Die Stimme ihres Vaters versetzte sie in Alarmbereitschaft. »Was ist denn los?«
    »Mich hat das Telefon heute in aller Frühe aus dem Schlaf gerissen«, antwortete Filippo orakelhaft.
    Maria nippte an ihrem heißen Kaffee und übte sich in Geduld.
    »Heute Nacht ist in die sala delle vittorie eingebrochen worden.«
    Maria zog erwartungsvoll die Augenbrauen hoch, aber ihr Vater war verstummt. Ein Einbruch in das Museum der Contrade, in dem unter anderem die gewonnenen palii, die Seidenbanner, in der Halle der Siege aufbewahrt und ausgestellt wurden, war sicherlich ungewöhnlich. Aber so ganz verstand Maria nicht, warum diese Neuigkeit ihren Vater derart aus der Fassung brachte. Als er immer noch schwieg, forderte sie ihn schließlich zum Weitersprechen auf: »Und? Was genau ist passiert?«
    Signore Morelli ließ die geballte Faust auf den Tisch niederfahren. »Irgend so ein Idiot hat einen der Palii besudelt und dumme Sprüche auf die Wände des Museums geschmiert.«
    Maria verschluckte sich fast an ihrem Kaffee. »Aber …«
    »Genaueres weiß ich auch noch nicht«, unterbrach Filippo seine Tochter. »Ich wollte gleich mal rüberfahren und es mir anschauen!« Erneut schlug er auf den Tisch. Diesmal mit der flachen Hand. »Als hätte ich jetzt, sechsunddreißig Stunden vor dem Palio, nichts anderes zu tun!«
    »Wenn es dir nichts ausmacht«, sagte Maria, »würde ich dich gern begleiten.« Sie hatte ein ungutes Gefühl bei dieser Sache und vielleicht war es ganz interessant, sich mit eigenen Augen ein Bild zu machen.
    Signore Morelli zuckte die Schultern. »Meinetwegen«, sagte er, »wenn du dir diesen schönen Tag unbedingt versauen möchtest, mir soll’s recht sein.«
     
    Maria hielt sich die Hand vor den Mund, während sie stumm die Bescherung betrachtete, die sich ihren Augen offenbarte: Blut, Blut und nochmals Blut. Jedenfalls sah es so aus wie Blut, was da die Wände, den Boden und das Banner rot färbte.
    Die roten Lettern an der Wand, mit einem dicken Pinsel aufgetragen, erinnerten Maria auf unangenehme Weise an ein erst kurze Zeit zurückliegendes Ereignis in ihrem eigenen Zimmer. Mit dem Unterschied, dass sich hier tatsächlich jemand die Mühe gemacht hatte, etwas literarischen Anspruch in seine plakative Aussage zu bringen:
     
    ECCO LO SPIRITO OSCURO DEL PALIO:
    AMAZZA E NON I PORTA ALTRO
    CHE SANGUE E DISTRUZIONE!
     
    SEHT DEN DUNKLEN GEIST DES PALIO:
    ER TÖTET UND BRINGT NICHTS ALS BLUT UND VERDERBEN!
     
    Als hinter ihr plötzlich ein Licht aufflammte, drehte sie sich erschrocken um. Aber es war nur ein Reporter der Tageszeitung La Nazione, wie ein Aufkleber auf seiner schwarzen Umhängetasche verriet, der gerade ein Foto vom Tatort geschossen hatte.
    » Buon giorno, Signorina«, grüßte der junge Mann und zückte sofort einen Bleistift und ein kleines Notizbuch. »Können Sie mir vielleicht etwas hierüber …« – er machte eine ausladende Geste mit dem rechten Arm, die den ganzen Raum umfasste – »… sagen?«
    Bevor Maria antworten konnte, tauchte ihr Vater an ihrer Seite auf, legte einen Arm um ihre Schulter und wandte sich an den Journalisten: »Ich kann gern versuchen, Ihre Fragen zu beantworten, solange diese nicht die Ermittlungsarbeit der Polizei betreffen.«
    »Danke, Signore Morelli, das ist sehr freundlich von Ihnen. Ich werde auch versuchen, Sie nicht allzu lange aufzuhalten. Sie sind der capitano dell’ aquila, nicht wahr?«
    Signore Morelli nickte.
    »Und darf ich Ihre Aussagen in der Zeitung zitieren?«
    »Sie dürfen gern schreiben, dass Sie Ihre Informationen von mir haben. Ja.«
    »Prima, ich danke Ihnen. Also, was ist Ihrer Meinung nach hier geschehen?«
    »Ich glaube, dass wir es hier mit einer besonders abscheulichen Aktion der Tierschützer zu tun haben, die seit Jahren versuchen, den Palio auf jede erdenkliche Weise zu boykottieren. Dabei scheuen sie anscheinend nicht einmal davor zurück, ein derart kostbares Seidenbanner wie dieses aus dem Jahr 1880 unwiderbringlich zu zerstören!«
    »Es handelt sich also um den Palio von 1880«, wiederholte der Reporter und machte sich Notizen. »Angenommen, Ihre Vermutung ist richtig und es waren die

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