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Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Titel: Der dunkle Geist des Palio (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Frank
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krankes Pferd nicht mehr ausgetauscht werden durfte, nachdem es einer Contrade zugeteilt worden war. Also hatte Lorenzo keine andere Wahl gehabt, wenn er das Rennen nicht absagen wollte.
    »Jemand, der in der Nähe der casa del cavallo wohnt, will gesehen haben, wie der barbaresco von pantera in der Nacht von Freitag auf Samstag den Stall verließ, um seine Notdurft zu verrichten.«
    Eva Maria zuckte mit den Schultern. »Ja und? Was ist daran so außergewöhnlich?«
    »Nun ja«, fuhr Isabella widerstrebend fort, »er war wohl ziemlich häufig draußen. Jeweils zur vollen Stunde erzählt man sich.«
    »Vielleicht fühlte er sich nicht wohl.«
    Isabella nickte. »Genau das behauptet er auch. Er sagt, er habe sich nicht wohlgefühlt.«
    »Aber man glaubt ihm nicht?«
    Isabella gab keine Antwort.
    Nachdenklich spielte Eva Maria an ihrem Verlobungsring und versuchte, ihre wirren Gedanken zu ordnen: Lorenzo hatte die Stadt verlassen. Niemand wusste, wo er sich aufhielt und wann er wiederkommen würde. Pantera behauptete, aquila sei für den Tod des Pferdes verantwortlich, weil es von ihnen vergiftet worden sei. Und aquila wiederum beschuldigte Pantera, den Tod des Tieres verschuldet zu haben, weil es krank gewesen sei und nicht hätte geritten werden dürfen. Der fantino dell’ aquila, Genesio, war unmittelbar nach dem Rennen verprügelt worden. Er hatte nicht einmal Gelegenheit gehabt, seinen Sieg zu feiern. Und Lorenzo fürchtete vielleicht, ebenfalls verprügelt zu werden. Aus Rache für den Übergriff auf Genesio. Oder als Vergeltungsmaßnahme, weil er ein krankes Pferd geritten hatte.
    War das der Grund für sein Verschwinden?
    Oder hatte es vielmehr damit zu tun, dass Lorenzo ihrem Vater die Schuld für seinen verpassten Sieg gab?
    Nur mit Schaudern erinnerte sie sich daran, wie Lorenzo sich nach dem Rennen wutentbrannt vor dem Balkon aufgebaut hatte, auf dem sie und ihre Familie versammelt gewesen waren. Und wie er mit ausgestrecktem Zeigefinger auf ihren Vater gedeutet und geschrien hatte: »Das habt allein Ihr zu verantworten! Ihr seid ein Verräter und Verbrecher!« Dann hatte er sogar vor sich auf den Boden gespuckt, um seine Abscheu vor Signore Morelli, dem capitano dell’ aquila, zum Ausdruck zu bringen, und war verschwunden. Einfach verschwunden.
    Und was sollte sie jetzt tun? In elf Tagen sollte ihre Hochzeit stattfinden. Doch ohne den Bräutigam war das schlichtweg unmöglich.
    Isabella schien ihre Gedanken zu erraten. Tröstend legte sie ihr eine Hand auf den Unterarm. »Er wird schon wieder zur Besinnung kommen«, sagte sie. »Macht Euch keine Sorgen.«
    Aber Eva Maria machte sich Sorgen. Sehr große Sorgen sogar.

 
    Über die Kraft hinaus die Macht.
    Motto des Turms (torre)
     

     
    16
     
    Mittwoch, 15. August, ein Tag vor dem Palio
     
    W as hatte Antonia eigentlich so spät noch im Palazzo Morelli zu suchen gehabt?
    Die ganze Nacht über hatte Maria diese eine Frage in ihrem Kopf gedreht und gewendet. Konnte es sein, dass Antonia auf Angelo gewartet hatte? Aber woher sollte sie wissen, dass er kommen würde? Oder hatten ihre Pflichten als Haushälterin sie tatsächlich so lange hier aufgehalten?
    Mit ein paar Stunden Abstand war Maria sich nicht mehr sicher, ob sie sich richtig verhalten hatte. Gewiss, Angelo hatte geflirtet, aber normalerweise hätte sie das nicht so aus der Ruhe gebracht. Sie wusste doch, dass er sie liebte und sie sich auf seine Treue hundertprozentig verlassen konnte. Nein, es war wohl dieser ganze Spuk, der an ihren Nerven zerrte und sie Gespenster sehen ließ, wo keine waren.
    Hätte Angelo jetzt vor ihr gestanden, sie hätte sich sofort bei ihm entschuldigt. Sie hatte ihn ja derartig angefaucht, dass ihm gar keine andere Wahl geblieben war, als zurückzufauchen. Maria wusste, dass sie die Sache unter anderen Umständen mit einer spitzen Bemerkung auf sich hätte beruhen lassen. Doch jetzt war es dafür zu spät. Und solange Angelos Handy kaputt war, konnte sie ihm noch nicht einmal eine SMS schicken, um ihm zu sagen, wie leid es ihr tat.
    Leise fluchend schlug sie ihre Bettdecke zurück und stand auf, um sich anzuziehen.
     
    Als Maria kurze Zeit später die Küche im Erdgeschoss des Hauses betrat, saß ihr Vater, wie jeden Morgen, bereits am großen Holztisch in der Mitte des Raumes, den Kopf hinter der Tageszeitung La Repubblica versteckt und eine Tasse dampfenden schwarzen Espresso vor sich.
    »Buen giorno, Papa«, begrüßte Maria ihn und küsste ihn auf die Stirn,

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