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Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Der dunkle Geist des Palio (German Edition)

Titel: Der dunkle Geist des Palio (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Frank
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Tierschützer: Glauben Sie, es handelt sich um einen Zufall oder könnte Ihrer Meinung nach Berechnung dahinterstecken, dass ausgerechnet ein so alter und damit kostbarer Palio beschädigt wurde?«
    Signore Morelli lachte laut auf. »Mehr als das«, antwortete er. »Sehen Sie, die contrada dell’ aquila hat seit Anfang des 17. Jahrhunderts insgesamt achtundzwanzig Palio-Siege errungen. Hier hängen einige Banner, die noch deutlich älter sind als das jetzt zerstörte. Dort drüben zum Beispiel …« Er deutete mit ausgestrecktem Arm auf eines der bunten Seidentücher, die an langen Stangen ausgestellt waren. »… hängt das Banner aus dem Jahr 1753. Der damalige fantino war Luchino, der capitano Michele Rustichini. Wäre es den Tierschützern darum gegangen, einen aufgrund seines Alters möglichst kostbaren Palio zu beschädigen, dann hätten sie auch diesen wählen können. Haben sie aber nicht.«
    »Und was könnte Ihrer Meinung nach der Grund dafür sein?«
    »Mit diesem cencio, der jetzt auf so respektlose Weise beschmutzt wurde, hat es eine besondere Bewandtnis. Es handelt sich um das Banner, das den Grund für die Feindschaft zwischen Panther und Adler darstellt. Vor dem Palio von 1880 waren Panther und Adler Verbündete. Damals war mein Vorfahr Andrea Morelli der capitano dell’ aquila, und seine Tochter Eva Maria war mit dem fantino della pantera verlobt.« Er warf Maria einen besorgten Blick zu, bevor er weitersprach: »Leider war Andrea Morelli der Sieg beim Palio mehr wert als das Glück seiner Tochter. Bis heute weiß man nicht, was damals tatsächlich geschehen ist, doch glaubte man zu jener Zeit offenbar, Morelli habe den Sieg seiner Contrade durch unlautere Methoden erzwungen. Der Verlobte Eva Marias nahm seinem zukünftigen Schwiegervater dessen Verhalten so übel, dass er die Verlobung aufkündigte und einen Tag nach dem Palio spurlos verschwand. Nur wenige Tage später nahm sich Eva Maria, die Tochter des capitano, das Leben.«
    Der junge Mann starrte Signore Morelli mit offenem Mund an. »Aber … das würde ja bedeuten …«
    »Richtig, junger Mann, das bedeutet, dass hier jemand ganz genau wusste, welches Banner er aussuchen musste, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen. ›Seht den dunklen Geist des Palio: Er tötet und bringt nichts als Blut und Verderben!‹ Diese Aussage bezieht sich auf das, was damals geschah. Es muss jemand geschrieben haben, der sich mit der Geschichte der Familie Morelli bestens auskennt.«
    Maria sah ihren Vater aufmerksam von der Seite an. Sie konnte in seinem Gesicht lesen, was er dachte. An wen er dachte. Und beinahe hoffte sie sogar, dass er mit seiner Vermutung recht hatte. Denn wenn nicht, wer war dann für all das verantwortlich? Und hatte es dann wirklich nur mit den Vorkommnissen des Jahres 1880 zu tun? Oder bezog es sich vielleicht auch auf die Gegenwart?
    Und auf das, was noch geschehen würde …
     
    Marias nervöse Stimmung hielt sich bis zum Abend. Sie wurde das Gefühl, alles, was um sie herum geschah, habe mit ihr und Angelo zu tun, einfach nicht los.
    Sie hatte ihren Vater gefragt, ob er wirklich glaube, Alessandro wäre für den Einbruch und die Sachbeschädigung im Museum des Adlers, nur zweihundert Meter von der Piazza del Campo entfernt, verantwortlich. Und ob er beabsichtige, seinen Verdacht der Polizei mitzuteilen.
    Signore Morelli hatte nur gestöhnt und den Kopf geschüttelt. »Ich denke nicht«, antwortete er schließlich. »Vorerst hoffe ich, die polizia macht ihren Job so gut, dass ich mich nicht dazu gezwungen sehe, ein Mitglied meiner Familie zu denunzieren.« Er legte eine kurze Pause ein und presste dann zwischen zusammengekniffenen Lippen hervor: »Auch wenn dieser Kindskopf es wahrhaftig verdient hätte. Vielleicht käme er dann endlich mal zur Vernunft und würde was Anständiges aus seinem Leben machen!«
    Obwohl Maria wusste, dass Angelos Handy kaputt war, schickte sie ihm etwa stündlich eine SMS – mal mit einem kurzen Bericht über die Geschehnisse im Museum und der Vermutung ihres Vaters, ihr Cousin habe damit zu tun; mal mit einer Entschuldigung für ihr eigenes Verhalten am gestrigen Abend; mal mit einer Liebeserklärung; mal mit der dringenden Bitte, sich bei ihr zu melden … Schließlich begann sie sich zu fragen, ob sie womöglich sogar froh über das defekte Handy war, weil sie auf diese Weise die Möglichkeit hatte, regelmäßig Dampf abzulassen.
    Als sie merkte, dass sie in Versuchung geriet, Angelo eine SMS

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