Der dunkle Highlander
und Schreiben bei schlechtem Licht. Silvan war ein exzellenter Schreiber mit einer beneidenswert gleichmäßigen Handschrift. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, auf prachtvoll verzierten Blättern die alten Folianten, deren Tinte im Laufe der Zeit verblasst war, zu kopieren.
Als Dageus noch ein Junge war, war er überzeugt, dass sein Vater die klügsten Augen der Welt hatte und ein geheimes Wissen aus ihnen leuchtete. Jetzt wurde ihm bewusst, dass er das immer noch glaubte. Sein Da war niemals vom Podest gestürzt.
Seine Eingeweide krampften sich zusammen. Silvan war nie gestrauchelt, aber er selbst war tief gefallen. »Nur zu, Da«, sagte er gepresst. »Schrei mich an. Sag mir, wie missraten ich bin. Sag mir, dass ich für dich eine große Enttäuschung bin. Erinnere mich an mein Gelübde. Ve r jag mich aus deinem Haus, und zwar sofort, wenn dir danach zumute ist - ich habe nämlich keine Zeit mehr zu verlieren.«
Silvan schüttelte vehement den Kopf.
»Sag es mir, Da. Dass Drustan niemals so etwas getan hätte. Sag mir, wie ...«
»Du wünschst dir doch nicht im Ernst, dass ich dir sage, dein Bruder wäre weniger mannhaft als du?«, fiel ihm Silvan leise und in gemäßigtem Ton ins Wort. »Das willst du aus meinem Mund hören?«
Dageus blieb der Mund offen stehen. »Was? Mein Bruder ist doch nicht weniger ...«
»Du hast dein Leben für das deines Bruders gegeben, Dageus. Und du bittest deinen Vater, dich dafür zu verdammen?« Silvan versagte die Stimme. Er sank in sich zusammen. Seine Schultern sackten herab, sein magerer Körper wurde von Krämpfen geschüttelt. Tränen glitzerten in seinen Augen.
O Himmel, fluchte Dageus im Stillen; der Anblick des verzweifelten Vaters überwältigte ihn, aber er wagte es nicht, selbst zu weinen. Risse konnten zu breiten Spalten werden und Spalten zu tiefen Abgründen, in denen ein Mensch verloren gehen konnte.
»Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen.« Silvans Worte hallten von den Steinwänden wider.
»Da, bitte! Schrei mich an. Setz mir den Kopf zurecht.«
»Ich kann nicht.« Silvans faltige Wangen waren nass von Tränen. Er umrundete den Tisch, legte seinem Sohn die Hände auf die Schultern, zog ihn in eine glühende Umarmung, klopfte ihm auf den Rücken.
Und weinte haltlos.
Dageus wollte seinen Vater nie wieder weinen sehen. Und wenn er noch hundert Jahre leben würde.
Als Neil auf der Bildfläche erschien, flössen wieder Tränen. Und später, nachdem Neil eine leichte Mahlzeit zubereitet und sich zurückgezogen hatte, um nach den kleinen Halbbrüdern von Dageus zu sehen, kam die Sprache schließlich auf den Sinn und Zweck seiner Rückkehr.
Dageus berichtete seinem Vater knapp und sachlich, was sich seit ihrer letzten Begegnung ereignet hatte. Er erzählte ihm von seiner Reise nach Amerika und den Nachforschungen in den Schriften, die ihn jedoch nicht weitergebracht hatten. Schließlich hatte er sich eingestehen müssen, dass ihm nichts blieb, als zu Drustan zurückzukehren und ihn um Hilfe zu bitten. Er erzählte von dem eigenartigen Angriff auf Chloe, von den Draghar und der Entdeckung, dass die Aufzeichnungen über die Tuatha De Danaan aus der Keltar-Bibliothek verschwunden waren. Anscheinend hatte sie jemand entwendet.
Silvan runzelte die Stirn. »Sag mir, mein Junge, hat Drustan unter der Steinplatte nachgesehen?«
»Unter der Steinplatte im Turm? Auf der er geschlafen hat?«
»Ja. Das Pergament war schon sehr brüchig, deshalb habe ich nur zwei Folianten dort versteckt. Ich hatte vor, alles zusammenzusuchen, was dir helfen könnte, und die Schriften unter der Steinplatte zu versiegeln. Ich habe Drustan klare Instruktionen hinterlassen, dort nachzusehen.«
Dageus schloss die Augen und schüttelte den Kopf. War die Zeitreise unnötig gewesen? Hätte er dieses Risiko vermeiden können? Wahrscheinlich. In wenigen Jahren hätte Silvan sämtliche Bände aufgetrieben, die er suchte, und sie unter der Steinplatte versteckt. Die Schriften waren während des gesamten einundzwanzigsten Jahrhunderts verfügbar.
»Wo waren diese Instruktionen zu finden? In dem Brief, den du Drustan hinterlassen hast?«
»Ja.«
»In demselben Brief, in dem du ihm geschrieben hast, was ich getan habe?«
Silvan nickte.
»Hast du dich klar und deutlich ausgedrückt oder einen deiner kryptischen Hinweise gegeben?« So wie er seinen Vater kannte, hatte er nur rätselhafte Andeutungen gemacht.
Silvan funkelte ihn düster an. »Ich schrieb: >Wir haben ein paar
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