Der dunkle Highlander
Gegenstände für dich im Turm zurückgelassen^, erwiderte er gereizt. »Klarer kann man sich doch kaum ausdrücken.«
»O doch, viel klarer, denn Drustan hat offensichtlich nie versucht, die Sachen zu finden. Die Neuigkeiten, die dein Schreiben enthielt, haben ihn so verstört, dass er den Brief zusammengeknüllt und weggeworfen hat. Aus deiner Formulierung musste er schließen, dass du ihm ein paar Erinnerungsstücke oder andere Kleinigkeiten hinterlassen hast.«
Silvan verzog das Gesicht. »Daran habe ich nicht gedacht.«
»Du sagtest, dass du in den Schriften geforscht hast. Bist du auf irgendetwas gestoßen?«
»Ja, das bin ich«, antwortete Silvan matt, »aber es ist sehr mühsam. Je älter die Schriften sind, umso schwerer sind sie zu entziffern. Die Sprache ist nicht sehr kultiviert, und oft ist die Rechtschreibung katastrophal.«
»Was ist mit...«
»Genug von den Schriften«, unterbrach ihn Silvan. »Dafür haben wir morgen Zeit. Erzähl mir lieber von deinem Mädchen. Ich gestehe, es hat mich überrascht, dass du eine Frau mitgebracht hast.«
Dageus' Herzschlag beschleunigte sich, und durch seine Adern strömte wieder diese eigenartig gefühlskalte Hitze. Sein Mädchen.
»Sie hatte zwar Schwierigkeiten zu begreifen, dass du die Steine als Brücke durch die Zeiten benutzt hast, aber sie scheint einen starken Willen und einen wachen Geist zu haben. Ich nehme an, sie wird sich schnell wieder beruhigen.«
»Das glaube ich auch.«
»Du hast ihr nicht erzählt, was mit dir ist, hab ich Recht?«
»Nein, ich habe nichts gesagt. Und bitte, sprich du auch nicht mit ihr darüber. Wenn der richtige Augenblick gekommen ist, werde ich ihr alles erzählen.« Als ob es für so etwas jemals einen richtigen Augenblick geben könnte. Die Zeit war schließlich sein größter Feind.
Sie verfielen in Schweigen. Ein betretenes, nachdenkliches Schweigen, das von vielen Fragen beschwert wurde, auf die es kaum Antworten gab. Und zu alledem kam noch die unausgesprochene Sorge und Angst.
»Mein Junge«, brach Silvan schließlich das Schweigen, »es hat mich schier umgebracht, nicht zu wissen, was aus dir geworden ist. Wir werden einen Weg finden. Das verspreche ich dir.«
Später dachte Silvan reumütig über dieses Versprechen nach. Er ging auf und ab, brummte vor sich hin und fluchte.
Dageus hatte sich in sein Zimmer zurückgezogen, und Silvan spürte die frühen Morgenstunden in seinen müden Knochen. Jetzt erst kam die Ernüchterung. Bei Amergin, er war fünfundsechzig und für so schwierige Aufgaben viel zu alt. Mittlerweile müsste er außerdem irgendwelche Ergebnisse seiner intensiven Suche vorweisen können. Er war nicht ganz aufrichtig zu Dageus gewesen.
Seit der Nacht, in der Dageus ihm alles gebeichtet und die Flucht ergriffen hatte, hatte er die alten Schriften regelrecht verschlungen. Außerdem hatte er fast das ganze Schloss auf den Kopf gestellt, aber er konnte die Aufzeichnungen aus dem ersten Jahrhundert nicht finden. Dabei wusste er genau, dass es umfangreiche Chroniken gegeben hatte. In vielen Schriften, die er in seiner Turmbibliothek aufbewahrte, wurde darauf verwiesen.
Aber diese verdammten Bände waren nicht aufzufinden, und auch wenn das Schloss riesengroß war, sollte man meinen, er wusste, wo sich welches Buch befand. Schließlich handelte es sich um seine eigene Bibliothek!
Wenn man den Legenden Glauben schenken durfte, besaßen die Keltar sogar den Originaltext des Paktes, der zwischen den Menschen und dem Volk der Feen, den Tuatha De Danaan, geschlossen worden war. Gott allein wusste, wo sich dieses Dokument befand. Wie hatte so etwas bloß in Vergessenheit geraten können?
Weil, antwortete er sich, im Laufe einer so langen Zeit eine Geschichte zunehmend verfälscht und abgewandelt wird und an Wirklichkeitsnähe verliert.
Pflichtbewusst hatte er seinen Söhnen alle Keltar-
Legenden erzählt, aber er war dabei überzeugt, dass die Geschichten im Laufe der Jahrtausende ausgeschmückt und mit Mythen verwoben worden waren, um die ungewöhnlichen Fähigkeiten der Keltar zu erklären. Er hatte sein Gelübde eingehalten, aber im Grunde nie richtig an das geglaubt, was seit vielen Generationen mündlich überliefert wurde. Seine täglichen Pflichten waren ihm genug: die Druiden-Rituale für die jeweilige Jahreszeit, die Fürsorge für die Bewohner von Balanoch, die Erziehung seiner Söhne und seine Studien. Es war gar nicht nötig, dass er die alten Geschichten für bare Münze nahm.
Die
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