Der dunkle Punkt
wand sich dabei mit offensichtlichem Unbehagen. »Sie vergessen meine Frau.«
»Wieso? Ich dachte, sie wäre verschwunden.«
»Die meine ich ja auch nicht.«
»Ach so! Jetzt kapiere ich. Sie haben sich wieder verheiratet, wie?«
»Ja.«
»Sie sitzen wohl ziemlich in der Klemme?«
»Klemme ist gar kein Ausdruck. Mir steht das Wasser bis zum Hals.«
»Das klingt interessant. Erzählen Sie mir ein bißchen mehr darüber.«
»Es ist im Grunde die einfachste Sache von der Welt. Edna verließ mich und ging nach New Orleans. Nach einer Weile reichte ich die Scheidung ein. Solche Dinge brauchen Zeit, und ich war inzwischen meiner jetzigen Frau begegnet. Sobald wir den vorläufigen Bescheid hatten, fuhren wir nach Mexiko und heirateten. Natürlich hätten wir damit warten müssen, bis das Urteil rechtskräftig war. Aber ich konnte ja nicht ahnen, daß Edna mir einen solch heimtückischen Streich spielen würde.«
»Ist Ihre jetzige Frau im Bilde?«
»Um Himmels willen, nein. Sie darf um keinen Preis etwas erfahren. Es könnte ihr Tod sein. Sie ist so sensibel. Angenommen, Goldring hat tatsächlich die falsche Cutler erwischt, was für ein Ausweg bleibt mir dann noch? Was kann ich tun?«
»Nichts. Dann sind Sie jenseits aller Hilfe.«
»Ich würde einen guten Rat sehr hoch bezahlen, Mr. Lam.«
»Tut mir leid.«
Er stand auf. »Vergessen Sie mein Angebot nicht. Sollten Sie bei Ihren Ermittlungen auf irgend etwas stoßen, was mir von Nutzen sein könnte, dann lassen Sie es mich wissen. Meine Adresse kennen Sie ja. Ich bin nicht undankbar.«
»Gut, Mr. Cutler. Ich fürchte nur, daß die Rechnungen der Detektei Cool & Lam der Dankbarkeit ihrer Klienten durchaus angemessen sind.«
Er lachte. »Na schön, wir wollen’s also zunächst dabei belassen.«
Wir schüttelten einander die Hände, und dann wandte sich Cutler dem Hotelausgang zu.
11
Die Bar von Jack O’Lantern war ein Nachtklub wie alle anderen. Obwohl er im französischen Stadtviertel lag, hatte er nichts Typisches. Es gab die üblichen Vorführungen, ein halbes Dutzend Animierdamen und viele kleine Tische, die man in drei ineinandergehende, ziemlich triste Räume gepfercht hatte. Rechts und links vom Eingang hingen Glaskästen mit den Fotos der auftretenden Künstler.
Offensichtlich kam ich zu zeitig. Das Lokal war noch ziemlich leer. Es hatten sich erst ein paar Gäste eingefunden, Matrosen auf Landurlaub, einige Soldaten, drei oder vier ältere Paare, Touristen vermutlich, die keine Sehenswürdigkeit verpassen wollten und sich deshalb schon früh am Abend Plätze sicherten.
Ich setzte mich an einen Tisch in einer Ecke und bestellte ein Cola mit Rum. Nachdem mich der Kellner bechent hatte, begann ich mit bekümmerter Miene in mein Glas zu starren. Der Trick wirkte. Es dauerte keine zwei Minuten, da hatte ich schon Gesellschaft. Eines der Mädchen schlenderte zu mir herüber und sagte aufmunternd: »Hallo, Trauerkloß.«
Gequält zwang ich mich zu einem Grinsen. »Hallo, Funkelauge.«
»Das klingt schon besser. Mir scheint, Sie brauchen jemanden, der Sie ein bißchen in Stimmung bringt.«
»Allerdings.«
Sie stellte sich neben einen Stuhl und wartete auf meine Einladung. Als ich mich erhob und sie höflich bat, bei mir Platz zu nehmen, sah sie mich überrascht an. Offenbar machte man hier nicht viele Umstände. »Wie wär’s mit einem Drink?«
»Danke, schrecklich gern.« Ich schob ihren Stuhl zurecht. Sie warf einen Blick in die Runde, um festzustellen, ob die anderen Mädchen diese ungewöhnliche Aufmerksamkeit auch gebührend beachteten.
Inzwischen war der Kellner lautlos aufgetaucht.
»Whisky und Wasser«, bestellte sie.
»Und was nehmen Sie?« fragte er mich.
»Danke, mein Glas ist noch nicht leer.«
»Wenn eines der Mädchen mit am Tisch sitzt, bekommen Sie für einen Dollar zwei Drinks. Sonst gibt es nur einen.«
Ich reichte ihm einen Dollar und einen Vierteldollar. »Bringen Sie den Whisky und lassen Sie uns für eine Weile in Frieden.«
Er grinste, steckte das Geld ein und brachte dem Mädchen ein mittelgroßes Glas mit einer blassen, bernsteinfarbenen Flüssigkeit. Sie trank das Zeug in einem Zug hinunter und schob das leere Glas in die Mitte des Tisches, wo es beredt Zeugnis dafür ablegte, daß sie in puncto Alkoholika vernachlässigt wurde. Bevor sie es mir entreißen konnte, griff ich danach und schnupperte daran.
Sie sagte ärgerlich: »Ihr Schlaumeier kommt alle auf die gleiche Idee und haltet euch für wer weiß wie
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