Der dunkle Punkt
genug Ärger mit ihm gehabt hätte«, fuhr sie erbittert fort, »hockte dieser Verrückte nun oben in meiner Wohnung mit seinem Schießeisen und vermutlich halb betrunken und wartete racheschnaubend auf meine Rückkehr. Da er sich’s nun mal in den Kopf gesetzt hatte, ich hätte einen Liebhaber, wollte er mich wahrscheinlich in flagranti erwischen.«
»Unser Freund Archibald C. Smith hätte sich wirklich keinen günstigeren Zeitpunkt für seinen Besuch bei Ihnen aussuchen können.«
»Ja, der Arme. Er muß einen schönen Schreck bekommen haben.«
»Mich wundert’s nur, was er so spät in der Nacht bei Ihnen wollte. Normalerweise hätten Sie um diese Zeit fest geschlafen. Er hat sich doch wohl nicht eingebildet, Sie würden ihn hereinlassen und ihn zu einem Plauderstündchen einladen.«
»Nein, aber er hat vielleicht angenommen, er könnte wenigstens über die Sprechanlage mit mir reden.«
»Hörten Sie einen Schuß?«
»Nein.«
»Gut. Was taten Sie dann?«
»Ich ging auf die andere Straßenseite hinüber und versuchte einen Blick durchs Fenster in die Wohnung zu werfen. Aber die Vorhänge waren zugezogen. Dann machte ich kehrt und lief in die Stadt zurück.«
»Wie spät war es ungefähr zu diesem Zeitpunkt?«
Sie überlegte. »Es muß kurz vor halb drei gewesen sein. Als ich die Kreuzung erreichte, fuhr Marilyn Winton an mir vorbei mit noch zwei anderen Leuten — einem Mann und einer Frau.«
»Sie kennen sie?«
»Flüchtig. Sie wohnt mir direkt gegenüber, und da ergibt es sich praktisch von selbst, daß man gelegentlich ein paar Worte wechselt.«
»Weiter.«
»Na ja, ich stiefelte also wieder in die Stadt zurück und ging in eins der kleinen Hotels im Viertel, wo man’s mit den Formalitäten nicht so genau nimmt. Ich hatte ja kein Gepäck, keine Zahnbürste, nichts. Geld hatte ich auch nicht. Ich trug mich unter einem falschen Namen ein, weil ich befürchtete, Paul könnte auf die Idee kommen, sämtliche Hotels anzurufen und sich nach mir zu erkundigen. Am nächsten Morgen wanderte ich den gleichen Weg zurück, um mir meine Handtasche und ein paar Toilettensachen aus meiner Wohnung zu holen. Anschließend wollte ich mir ein Taxi nehmen und zur Arbeit fahren. Als ich vor dem Haus ankam, standen einige Wagen davor und ein Haufen neugieriger Leute. Ein Mann erzählte mir dann von dem Mord, der in meiner Wohnung verübt worden war, und daß die Polizei nach der Wohnungseigentümerin fahndete.«
»Und Sie?«
»Ich benahm mich wie eine Idiotin. Anstatt die Sache zu klären, was zu diesem Zeitpunkt kein Problem gewesen wäre, bekam ich’s mit der Angst zu tun und eilte ins Hotel zurück. Von dort sandte ich Edna sofort ein Telegramm und bat sie, mir schleunigst Geld zu überweisen.«
»Warum haben Sie’s nicht zuerst mit einem R-Gespräch versucht?«
»Das hab’ ich ja getan, aber sie meldete sich nicht.«
»Wann bekamen Sie das Geld?«
»Am gleichen Nachmittag. Ich bezahlte mein Hotelzimmer und fuhr gegen Abend nach Shreveport.«
Der Kellner erschien wieder, räumte das Geschirr ab und brachte zwei Portionen Eiscreme.
»Können Sie Edna vertrauen?«
»Ich weiß nicht. Bisher hab’ ich nicht daran gezweifelt, aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.«
»Nostranders Tod ist für Edna von Vorteil.«
»Ja, wahrscheinlich.«
»Folglich hätte sie ein sehr einleuchtendes Motiv gehabt.«
»Meinen Sie damit etwa, daß Edna ihn getötet haben könnte?«
»Die Polizei dürfte dieser Meinung sein.«
»Aber sie war doch in Shreveport.«
, »Nicht, als Sie telefonierten.«
»Also — nein, vielleicht nicht.«
»Sie erhielten das Geld erst am Nachmittag.«
»Ja.«
Wir löffelten die Eiscreme, rauchten noch eine Zigarette und tranken den Kaffee. Keiner von uns redete viel. Wir waren zu sehr mit unseren Gedanken beschäftigt. Nach einer Weile fragte Roberta: »Was soll ich tun, Donald? Geben Sie mir einen Rat.«
»Haben Sie Geld?«
»Noch einen Rest von dem, was Edna mir schickte. Hören Sie, Donald, wär’s nicht das beste, wenn ich einfach zur Polizei ginge und meine Geschichte erzählte?«
»Nein, dazu ist es jetzt zu spät. Sie haben den Anschluß verpaßt.«
»Könnte ich nicht erklären, daß ...«
Ich schüttelte den Kopf. »Ausgeschlossen.«
»Aber es ist doch die Wahrheit!«
»Sie haben ihn nicht umgebracht, wie?«
Roberta sah mich sprachlos und voller Entsetzen an.
»Na gut. Umgebracht wurde er jedenfalls, und dem Täter könnte nichts Angenehmeres widerfahren, als wenn
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