Der dunkle Punkt
noch immer, so weit das Auge reichte, die kahle, unbelebte Wüste. An der Bar stärkten wir uns mit kochendheißem Kaffee und Rührei mit Speck.
Bald ging es weiter. Hohe, schneebedeckte Berge tauchten vor uns auf, greise Hüter der fruchtbaren Ebenen und Bollwerk gegen Sandstürme und Dürre. Das Flugzeug zwängte sich geschickt durch einen Einschnitt, folgte einem schmalen Tal und ließ die Wüste und die Berge hinter sich. Unter uns erstreckten sich in endloser Folge die regelmäßigen Vierecke der Orangen- und Zitronenplantagen. Die roten Dächer und weißen Mauern der Häuser schimmerten durch das dunkelgrüne Laub. Die Häuser rückten immer enger aneinander, kleinere und größere Städte tauchten auf, und je mehr wir uns Los Angeles näherten, desto überwältigender wurden die Üppigkeit und der Reichtum des Landes.
Ich sah Roberta an. »Jetzt dauert’s nicht mehr lange.«
Sie lächelte verschmitzt. »Das war die netteste Hochzeitsreise, die ich jemals gemacht habe.«
Dann senkte sich die Maschine jäh nach unten, steuerte die Landebahn an, die Räder setzten mit einem leichten Ruck auf, und wir rollten zum Flughafengebäude hinüber. Wir waren in Los Angeles angelangt. Es herrschte prachtvolles Wetter, kein Wölkchen am Himmel, die Luft spritzig und so klar, daß die Berge am Horizont wie gestochen aussahen.
»Also, wir haben’s geschafft«, sagte ich. »Jetzt suchen wir uns zunächst mal ein Hotel, und dann muß ich meiner Partnerin schonend beibringen, was passiert ist.«
»Ist das die Bertha Cool, von der Sie mir schon erzählt haben?«
»Ja.«
»Glauben Sie, daß sie mich mögen wird?«
»Nein.«
»Aber warum denn nicht?«
»Sie hat für gut aussehende junge Frauen nichts übrig.«
»Komisch. Hat sie vielleicht Angst, sie könnte Sie an so eine Sirene verlieren?«
»Bestimmt nicht. Es ist zwecklos, bei Bertha nach dem Grund für irgend etwas zu forschen. Wahrscheinlich hat sie gar keinen. Sie ist ganz einfach aus Prinzip dagegen, das ist alles.«
»Tragen wir uns unter unserem richtigen Namen ein?«
»Nein.«
»Aber Donald, Sie — ich meine, ich ...«
»Sie tragen sich als Roberta Lam ein, und ich gebe meinen eigenen Namen an. Von jetzt an sind wir Bruder und Schwester. Unsere Mutter ist schwer krank. Wir befinden uns auf dem Wege zu ihr.«
»Donald, ist das nicht gefährlich für Sie?«
»Wieso?«
»Na, praktisch verstecke ich mich hinter Ihrem Namen, und Sie wissen doch, daß ich von der Polizei gesucht werde.«
»Ich hatte keine Ahnung davon. Warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt?«
Sie lächelte. »Ich fürchte, mit dieser Ausrede werden Sie niemanden hinters Licht führen. Man wird Sie fragen, warum Sie mich zuerst als Ihre Frau und dann als Ihre Schwester ausgegeben haben.«
»Die Antwort darauf ist einfach: Sie sind eine wichtige Zeugin und können mir vermutlich bei der Aufklärung eines Mordes behilflich sein. Da meine Partnerin an der Lösung des Falles ebenso interessiert ist wie ich, habe ich Sie nach Los Angeles mitgenommen, damit sie die Geschichte von Ihnen selbst hört.«
Sie dachte ein paar Sekunden darüber nach und murmelte dann: »Ich habe das untrügliche Gefühl, daß Ihre Bertha Cool mich vom ersten Augenblick an verabscheuen wird.«
»Schon möglich. Zumindest wird sie Sie nicht liebevoll ans Herz drücken.«
Wir begaben uns in ein Hotel. Der Angestellte hinter dem Empfangsschalter lauschte mit ernster Miene meinem Bericht über unsere todkranke Mutter und zeigte mir die Telefonzelle, als ich ihm sagte, ich müßte dringend jemanden anrufen. Ich wählte Berthas Privatnummer, aber es meldete sich niemand.
Von meinem Zimmer aus rief ich noch einmal in Berthas Wohnung an. Diesmal meldete sich das Mädchen. »Mrs. Cool ist leider nicht zu Hause.«
»Wann kommt sie zurück?«
»Sie ist schon vor sieben zum Fischen gegangen. Eigentlich müßte sie jeden Moment zurückkehren. Aber genau weiß ich es nicht.«
»Gut. Richten Sie ihr bitte aus, Mr. Lam hätte nach ihr gefragt. Ich würde stündlich wieder anrufen, bis ich sie erreiche. Es ist wichtig.«
»Ja, Sir.«
Anschließend ließ ich mir ein Bad ein und lag fünfzehn Minuten lang im heißen Wasser. Dann zog ich mich wieder an, rasierte mich und streckte mich für ein kurzes Schläfchen auf dem Bett aus. Als Roberta leise durch die Verbindungstür hereinkam, wachte ich auf. »Was gibt’s?« murmelte ich.
»Zeit für Sie, Mrs. Cool anzurufen.«
Ich stöhnte, hob den Hörer ab, nannte der
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