Der dunkle Ritter (German Edition)
suchte Cabal seine Kleider zusammen und zog sich an. Emmalyn sah ihn kaum an. Als er die Bänder an seiner Hose zuband, fiel sein Blick auf das Buch, das auf dem Bett lag, noch aufgeschlagen bei der Geschichte von König Arthur und der Jagd.
»Kann ich es mitnehmen?«, fragte er und beobachtete genau ihr Gesicht. Er sah Mitgefühl darin – und etwas anderes. Etwas schwer Fassbares, das die Linie ihres Mundes weicher machte, sodass es aussah, als wollte sie in Tränen ausbrechen.
»Natürlich kannst du es mitnehmen«, erwiderte sie. »Es gehört dir, Cabal.«
Er nahm das Buch, schob den Finger zwischen die aufgeklappten Seiten, um die Stelle zu markieren, als er den Deckel schloss und sich den dicken Band unter den Arm klemmte.
»Ich hoffe, du verstehst es«, sagte sie, als er zu ihr kam. »Ich wünschte, wir könnten den Rest des Tages allein verbringen. Aber wir werden viel Zeit haben, wenn wir erst zu Hause sind.«
Als er nickte, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. »Beim Mahl heute Abend werde ich nach dir Ausschau ha lten«, sagte sie, als dächte sie, das könnte ihn beruhigen .
Sie schien seltsam traurig zu sein, als er auf den Gang hinaustrat und langsam die Tür hinter sich schloss. Cabal wartete einen Moment und betrachtete erstaunt die hölzerne Barriere, die sie voneinander trennte, während er sich fragte, was er getan oder gesagt haben könnte – was sie gesehen haben könnte – , das sie veranlasst hatte, so merkwürdig zu reagieren. Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass er die Antwort in dem Buch finden würde, das sie ihm geschenkt hatte.
Er nahm es mit in das Quartier der Wachmannschaften. Dort zog er sich einen Stuhl an den Kamin und schlug die Seite auf, auf der die Jagd des Königs geschildert wurde. Die schwarzen kleinen Zeichen auf dem Pergament sagten ihm gar nichts, sie waren nur ein Durcheinander von nicht unterscheidbaren Federstrichen, eingerahmt von einem kunstvollen farbenfrohen Bild, das sich bis zum Seitenende hinzog. Die Darstellung eines knurrenden wilden Hundes mit rotem Fell nahm die obere linke Ecke der Seite ein. Seine Rute wand sich wie eine Kletterpflanze um ihn und nahm fast die ganze Seitenlänge ein. Direkt unter dem Hund, von dessen Hinterpfoten gehalten, war ein flatterndes Banner zu sehen, auf dem ein einziges Wort stand. Ein Wort, das Cabal irgendwie bekannt vorkam.
Er fuhr mit dem Daumen über die Buchstaben, sah immer nur den wilden Hund an, als könnte dieser mit ihm reden und ihm sagen, was Emmalyn so bekümmert hatte, als sie diese Passage gelesen hatte. Aber der Hund wahrte sein Geheimnis; die Seite blieb ein kryptisches Rätsel, obgleich Cabal wusste, dass die Antwort genau vor seiner Nase liegen musste. Er betrachtete die Seite, suchte nach irgendeinem Hinweis oder Muster, das sie ihm offenbaren würde, aber letztlich diente diese Übung nur dazu, dass er sich wegen seines Unvermögens noch hilfloser fühlte.
»Herrgott«, fluchte er, als er das Buch zuschlug. Wie konnte er nur annehmen, ein Meer von Worten entziffern zu können, wenn er nicht einmal die einfache Widmung lesen konnte, die Emmalyn geschrieben hatte? Wie um sich sein Unvermögen zu beweisen, schlug er den Deckel auf und blätterte bis zu der Stelle, an die sie diese freundlichen, unverdienten Worte über ihn niedergeschrieben hatte. Er konnte sie nicht lesen, aber er erinnerte sich so gut an sie, als hörte er sie diese Worte noch einmal sagen. Für Cabal, den Gefährten meines Herzens. Keiner dieser großen Männer kommt dem Helden gleich, den ich mit dir gefunden habe.
In seinen Schläfen begann ein Pochen. Etwas Kaltes breitete sich in seinem Inneren aus, und das Herz schlug schwer und hart in seiner Brust. Furcht kroch ihm die Kehle hoch, als er noch einmal den Anfang der Widmung betrachtete. Er zwang die Erinnerung an ihre Stimme in sein Bewusstsein, hielt inne, um sich genau jedes Wort anzusehen, hoffte, dass er sich irrte. Für … Cabal …
Ruhig, mit einer Bedächtigkeit, die nur um Haaresbreite von dem emotionalen Sturm entfernt war, der sich in ihm zusammenbraute, schlug Cabal die Stelle in dem Buch auf, an der Emmalyn zu lesen aufgehört hatte. Jetzt schien der rote Hund nicht mehr zu knurren, nein, er schien höhnisch zu grinsen. Seine Lefzen waren zurückgezogen, die Zähne wie zu einem höhnischen, verächtlichen Lachen gefletscht. Cabals Blick glitt über die Seite an den unteren Rand der Zeichnung.
Von irgendwoher aus der Ferne hörte
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