Der dunkle Ritter (German Edition)
er wieder Emmalyns Stimme, und ihm fiel die letzte Zeile wieder ein, die sie ihm vorgelesen hatte. Die Worte wurden klarer, während sein Blick sich auf das Banner heftete, das das Tier in seinen Pfoten hielt.
»Und dieser treue Hund hieß … «
Cabal.
Deshalb hatte sie zu lesen aufgehört, das war der Grund für ihr seltsames Verhalten gewesen! Und es war nicht Traurigkeit, die er in ihren Augen gesehen hatte, als sie ihn aus dem Zimmer verabschiedet hatte, das begriff er jetzt, sondern Mitleid. Sie hatte Mitleid mit ihm gehabt. Cabal starrte blicklos auf das eine verdammte Wort, das auf dem Schriftband unter der Zeichnung des Hundes stand. Es war sein eigener Name. Nein, dachte er bitter, nicht mein Name. Der Name eines Tieres.
Und die Tatsache, dass Emmalyn es ihm nicht gesagt hatte – dass sie ihn das Buch hatte mitnehmen lassen, weil sie überzeugt gewesen war, dass sein Unvermögen es verhindern würde, dass er es herausfand, verletzte ihn. Er hatte ihr vertraut, hatte ihr erlaubt, ihm näher zu kommen als je ein Mensch zuvor, und sie hatte ihn verraten. Diese Erkenntnis traf ihn tief. Tiefer noch als der Schmerz zu wissen, dass er als Narr gebrandmarkt worden war, sein ganzes elendes Leben lang. Ein Bastard, dem der Name eines Hundes gegeben worden war, von einem Vater, den er nie gekannt hatte. Wie musste sein edler Erzeuger über diesen grausamen Scherz gelacht haben.
Cabal kämpfte darum, die Welle aus Zorn zurückzuhalten, die ihn zu ersticken drohte. Seine Kehle war plötzlich wie ausgedörrt, sie brannte von der ätzenden Galle seiner lebenslangen unbeschreiblichen Scham. Innerlich war er leer, fühlte sich allem beraubt, denn Emmalyn wusste jetzt auch von seiner niederschmetterndsten Demütigung.
Lachte sie jetzt über seine Ehrlosigkeit, oder weinte sie um den Narren, den sie sich zum Gefährten und Liebhaber erwählt hatte? Verdammt, aber wie sollte er ihr je wieder selbstbewusst gegenübertreten? Wie sollte er es je wieder ertragen können, seinen Namen aus ihrem Munde zu hören, wenn er dabei jedes Mal an seine Schande erinnert wurde?
Er packte einen Krug Ale, den irgendjemand auf dem Tisch hatte stehen lassen, und stürzte die Kehle hinunter, was noch darinnen war. Der bittere Schluck beruhigte Cabal für einen kurzen Moment, aber er stellte fest, dass das Versprechen auf einen Rausch ihn nur noch durstiger gemacht hatte. Er wollte diesen Schmerz nicht fühlen. Nicht hier, nicht jetzt. Und konnte er ihn nicht kraft seines Willens hinunterwürgen, dann würde er ihn eben einfach ertränken. Entschlossen stand Cabal auf und verließ das Quartier.
23
Erst als Emmalyn am Abend vor Ihrer Majestät stand und knickste, wurde ihr bewusst, wie nervös sie war. Beaucourts bestes Zimmer war als königlicher Empfangsraum hergerichtet worden, bevor das große Fest begann. Die Königin saß in ihrem kunstvoll geschnitzten, gepolsterten Stuhl, den sie aus London mitgebracht hatte, und ihre Lieblingshofdamen standen hinter ihr, waren versammelt zu einer farbenfrohen Kulisse glanzvoller Kultiviertheit. Josette, prächtig gekleidet in ihr neues Gewand aus rotem Seidentaft, stand zur Rechten der Königin und winkte die wartenden Gäste herein, einen nach dem anderen, die gekommen waren, um ihre Aufwartung zu machen.
Obwohl Eleanor von Aquitanien, Königinwitwe von England, kaum weniger als siebzig Jahre zählte, schien niemand hier oder draußen, nahe bei der Tür, den Blick von ihrem edlen Gesicht abwenden zu können. Sie war dünner, als Emmalyn sie in Erinnerung hatte – zweifellos lastete die Sorge um König Richard, ihren gefangen genommenen Lieblingssohn, schwer auf ihr – , aber dennoch strahlte sie die makellose Anmut und die natürliche Majestät aus, die ihrer Herrschaft in der gesamten Christenheit die geschätzte Achtung eingebracht hatte.
»Erhebt euch, meine Liebe«, forderte die Königin Emmalyn auf. Ihre einst kristallklare Stimme hatte mit den Jahren einen etwas matteren Klang angenommen. »Es ist einige Zeit her, seit ich Euch das letzte Mal sah, fast ein Jahr, wenn ich mich recht erinnere. Geht es Euch gut, Lady Emmalyn?«
»Ja, Eure Majestät. Ich fühle mich geehrt, dass Ihr fragt.« Emmalyn erhob sich, hielt den Kopf aber in Ehrerbietung vor der großen Dame leicht gesenkt.
»Wir haben Fallonmours großzügigen Anteil für das Lösegeld für die Rückkehr des Königs erhalten«, sagte die Königin. »Euer Geschenk wird hochgeschätzt, von mir und auch von meinem Sohn.«
»Ich
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