Der dunkle Ritter (German Edition)
für ihn nicht verbergen, und die kluge alte Königin brauchte nicht lange, den richtigen Schluss zu ziehen.
»Das klingt kaum nach demselben Mann, dessentwegen Ihr mich so überzeugend darum gebeten hattet, ich solle ihn von Fallonmour abziehen, meine Liebe.«
Also hatte ihr Brief London erreicht! Emmalyn schluckte mühsam und bedauerte mehr denn je ihre übereilte Bitte an die Königin. »Ich versichere Euch, er ist nicht mehr derselbe, Eure Majestät«, räumte sie ein. »Ich will damit sagen, dass ich meine Meinung über ihn gründlich geändert habe … seit ich ihn besser kennengelernt habe.«
Die Königin wartete darauf, dass ein weiterer Gast sich zurückzog, bevor sie Emmalyn einen wissenden Blick zuwarf. »Ihr hegt eine Art Zuneigung für diesen Ritter, den mein Sohn dazu bestimmt hat, über Fallonmour zu wachen, nicht wahr?«
Emmalyn neigte zustimmend den Kopf. Es war ihr peinlich, dass sie so unvorsichtig gewesen war, ihre Gefühle so offensichtlich werden zu lassen, und sie war sich durchaus bewusst, dass die Königin sie jetzt genau beobachtete. »Es war nicht meine Absicht –«, begann sie, dann verstummte sie jedoch, weil sie nicht sicher war, was sie über ihre Gefühle für Cabal sagen sollte. »Ich weiß nicht, was ich ohne ihn tun sollte, Eure Majestät.«
»Nun, es scheint, dass die Entscheidung des Königs richtig war, zumindest in dieser besonderen Angelegenheit, nicht wahr?«, erwiderte die Königin trocken.
»Das war sie, Eure Majestät. Aber ich wollte nie bestreiten oder andeuten –«
»Es ist in Ordnung, meine Liebe. Krone und Zepter bewahren einen Menschen nicht davor, Fehler zu machen. Ich selbst habe vor einigen Jahren einen großen Fehler gemacht, als ich ein junges reizendes Mädchen zur Ehe mit einem treulosen und grausamen Schuft verurteilt habe.«
Sprach sie von Garrett? Emmalyn versuchte, die Königin nicht anzustarren, aber sie konnte nicht verhindern, dass man ihr die Überraschung und Verwirrung ansah. Hatte die Königin ihre Entscheidung bedauert, sie mit Garrett zu verheiraten? Emmalyn hätte nie erwartet, dass die Königin überhaupt noch einmal einen Gedanken an diese Entscheidung verschwenden würde.
Lange Zeit schwieg Königin Eleanor. Dann hob sie die Hand, um dem Näherkommen des nächsten Gastes Einhalt zu gebieten, und wandte sich vertraulich an Emmalyn. »Ihr habt mich nie um etwas gebeten, meine Liebe, nicht einmal, als Ihr es hättet tun können. Aber jetzt erbittet Ihr meine Einmischung in einer Sache, die meinen Sohn gegen mich aufbringen könnte. Zugegeben, wenn er mit meiner Einmischung nicht einverstanden sein sollte, dann wird es nicht das erste Mal sein, dass wir aneinandergeraten. Vermutlich auch nicht das letzte Mal.«
Emmalyn sah aufrichtige Ergebenheit in den Augen der Königin, die Wertschätzung für ihren mächtigen Sohn, die den scharfen Blick einer Frau, die seit Langem daran gewöhnt war, von einer Welt der Männer beherrscht zu werden, weicher machte.
»Es gäbe zwei Gründe, aus denen ich versucht sein könnte, Euch zu helfen. Zum einen wegen meines liebevollen Respekts für Eure Großmutter, zum anderen wegen des Wunsches, einen Fehler wiedergutzumachen, der Euch viel Unglück gebracht hat. Aber trotzdem werdet Ihr mir gewiss darin zustimmen, dass weder Zuneigung noch Bedauern reichen, um Euch ein Lehen wie Fallonmour zuzusichern.«
»Ja, Eure Majestät.« Emmalyn nickte einsichtig. »Ich verstehe.«
»Sich um einen Besitz zu kümmern ist kein Kinderspiel, meine Liebe. Es ist eine Aufgabe, die für eine Frau eine noch größere Herausforderung darstellt – besonders für eine alleinstehende Frau. Abgesehen von unermüdlicher Hingabe braucht es auch eine besondere Art von Verstand, Integrität und nicht zuletzt einer gewissen Beharrlichkeit – Eigenschaften, die ich reichlich bei Euch vertreten finde.« Verwirrt blickte Emmalyn auf. »Oh ja, meine Liebe. Ich denke, Ihr seid ausgesprochen geeignet für diese Aufgabe. Genau genommen erinnert Ihr mich sehr an mich.«
Fassungslos sah Emmalyn die Königin an. »Eure Majestät, ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
Königin Eleanor winkte einen ihrer Diener herbei. »Holt den königlichen Schreiber und sagt ihm, er möge ein Schriftstück aufsetzen, in dem Lady Emmalyn uneingeschränkt das Lehen des nördlichen Besitzes, genannt Fallonmour, zugesichert wird.« Sie sah Emmalyn nachdenklich an, dann fügte sie hinzu: »Und es soll ebenso festgeschrieben werden, dass sie aus der
Weitere Kostenlose Bücher