Der dunkle Ritter (German Edition)
erreichte, dass sie sich wunderschön und lebendig fühlte, so mühelos auch Interesse für eine andere Frau entwickeln konnte. Es machte ihr etwas aus, dass er gesagt hatte, wie sehr er sie begehrte, dass er sie küssen wollte, und dann so rasch eine ihrer derben Mägde mit in sein Bett nahm. Es machte ihr etwas aus, dass sie gehofft hatte zu entdecken, er würde anders als andere Männer sein. Anders als Garrett, besser vielleicht. Und es machte ihr außerdem etwas aus, dass sie beinahe Närrin genug gewesen wäre, das zu glauben.
Beinahe.
Emmalyn floh die Treppe hinauf in die Einsamkeit ihres Zimmers. Dort, in der kühlen und stillen Dunkelheit entkleidete sie sich und legte das Gewand zurück in die Kleidertruhe. Wütend, enttäuscht und keinesfalls geneigt zu denken, sie könnte auch nur das kleinste bisschen eifersüchtig sein, kletterte sie ins Bett und starrte zu den Balken hoch. Draußen setzte steter Regen ein, und Emmalyn lauschte auf sein Rauschen. Lange Stunden lag sie in der Stille, verfluchte ihr dummes Herz und betete darum, dass ihr Gesuch, Sir Cabal abzuziehen, die Königin schnellstens erreichte.
10
Die Sonne ging eben auf, als Cabal in die Burg zurückkehrte. Zusammen mit Sir Miles und einer Handvoll Ritter hatte er die Gegend nach Hinweisen auf die Diebe durchkämmt, hatte die Felder durchforstet und die Wälder und die Grenzen beobachtet, um Hinweise auf mögliche Probleme zu finden. Sie hatten nichts entdeckt, was sie zu den Räubern geführt hätte, aber Cabal hielt den frühen Ausritt dennoch für einen Erfolg, hatte er ihn doch lange genug vom Turm abwesend sein lassen, bis Lady Emmalyn aufgestanden war und ihr Morgenmahl eingenommen hatte.
Er hatte die bewaffnete Entourage vor der Morgendämmerung zusammengerufen, weil es ein Mittel gewesen war, Emmalyn aus dem Weg zu gehen, wenn auch nur für kurze Zeit. Seine Gedanken weilten noch immer bei seinem unterbrochenen Zusammentreffen mit ihr in dem Wäldchen, und der unruhige Schlaf der vergangenen Nächte hatte wenig dazu beigetragen, seine Laune zu bessern. Er rief der Garnison den Befehl zu, mit ihrem Tagesprogramm zu beginnen, dann stieg er von seinem Rappen und brachte ihn zu den Ställen.
Thomas, der Mann, der sich um die Pferde der Burg kümmerte, kam einen Augenblick später. Er trug zwei Eimer mit Wasser, das er am Burgbrunnen geholt hatte. »Guten Morgen, Mylord«, grüßte er freundlich. Er ging heute schwerfälliger als sonst. Die feuchte Morgenluft schien seinen alten Knochen Schmerzen zu bereiten.
Er schlurfte in den Stall und verlor fast das Gleichgewicht, als er mit dem Stiefel an einem losen Stein in dem gestampften Lehmboden hängen blieb. Cabal, der Thomas straucheln sah, warf den Sattel seines Pferdes über die halbhohe Wand der Box und eilte ihm zu Hilfe, indem er ihm seine Lasten abnahm.
»Danke, Mylord«, sagte der Stallmeister und drückte sich die Faust ins Kreuz. »Die ersten paar Eimer hab ich gut geschafft, aber diese letzten beiden haben sich angefühlt, als wären Steine darin.«
Cabal wehrte Thomas’ Dankbarkeit mit einem ungeduldigen Achselzucken ab und verteilte das Wasser an die Pferde, die noch keines bekommen hatten. Inzwischen humpelte der Stallmeister zur letzten Box und fing an, eine hochträchtige Stute zu bürsten.
»Du lieber Gott«, sagte Cabal, der vor der Box stehen geblieben war. »Das arme Tier sieht ja aus, als würde es gleich platzen.«
Thomas runzelte die Stirn. »Aye, sie ist kurz davor. Aber bitte, lasst Mylady das nicht hören. Sie macht sich schon Sorgen genug um Minerva und ihr überfälliges königliches Fohlen.«
»Königlich?«
Der Stallmeister nickte. »Dieses Fohlen hat das Blut eines königlichen Hengstes in sich – eines schönen schwarzen Spaniers. Die Königinwitwe höchstpersönlich hat Mylady im letzten Sommer die Zuchtstute zum Geschenk gemacht, als sie mit ihrer Reisegesellschaft einige Zeit auf Fallonmour verbrachte.«
Cabals Neugier war geweckt. »Sie kennen sich, Lady Emmalyn und die Königin?«
Thomas nickte. »Myladys Großmutter war Zofe an Königin Eleanors Hof in Poitou«, berichtete er stolz. »Ihre Majestät ist dafür bekannt, auf Fallonmour Quartier zu nehmen, wenn ihre Angelegenheiten und ihre Reisen sie in diese Gegend führen.«
»Tatsächlich?«, bemerkte Cabal. »Mir war nicht bewusst, dass die Lady so gute Verbindungen hat.«
»Aye, obwohl es vielleicht besser gewesen wäre, sie hätte sie nicht gehabt«, knurrte Thomas. »Dann wäre ihr
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