Der dunkle Schirm
Telefonanruf, mit dem Arctor bei der Polizei denunziert worden war, und die selbst gebastelte elektronische Abschirmung, die immerhin gut genug funktioniert hatte, um die Stimme des Anrufers unkenntlich zu machen. Auch dahinter konnte nur Barris stecken.
Arctor dachte: Der Scheißkerl will mich fertig machen.
»Ich hab noch nie jemanden so schnell ausflippen sehen wie gerade Bob«, sagte Barris. »Aber andererseits…«
»Bist du jetzt wieder okay, Bob?«, fragte Luckman. »Wir werden die Kotze wegmachen, keine Sorge. Leg dich besser auf den Rücksitz.«
Sie öffneten die Wagentür und Arctor, der noch ziemlich groggy war, stieg unsicher aus. Luckman wandte sich an Barris: »Du bist also sicher, dass du ihm nichts untergejubelt hast?«
Barris fuhr protestierend mit den Händen in der Luft herum.
Sechs
Item: Was ein Undercover-Rauschgiftermittler am meisten fürchtet, ist nicht etwa, dass er erschossen oder zusammengeschlagen wird, sondern dass man ihm irgendeine psychedelische Droge unterjubelt, die bewirkt, dass sich für den Rest seines Lebens ein endloser Horrorfilm in seinem Kopf abspult, oder man ihn mit einem Mex-Hit voll pumpt, der zur Hälfte aus Heroin und zur Hälfte aus Substanz T besteht und manchmal auch aus einer Mischung dieser beiden Drogen plus einem Gift wie etwa Strychnin, das ihn beinahe umbringt – aber eben nur beinahe, damit er auch ja nicht diesem Schicksal entgeht: der lebenslänglichen Sucht, dem lebenslänglichen Horrorfilm. Er wird auf eine Stufe der Existenz absinken, auf der sich sein ganzes Denken nur noch um Nadel und Spritzbesteck dreht, oder er wird gegen die Wände einer Gummizelle anrennen oder – was am schlimmsten ist – in einer staatlichen Nervenklinik landen. Er wird Tag und Nacht versuchen, die Blattläuse von sich abzuschütteln, oder bis an sein Lebensende darüber nachgrübeln, warum er es nicht mehr fertig bringt, einen Fußboden zu bohnern. Und all dies wird man ihm mit voller Absicht antun, weil jemand herausgefunden hat, für wen er arbeitet, und ihn dann hinterrücks erwischt hat. Eigentlich auf die nächstliegende und übelste Art, die man sich nur vorstellen kann – nämlich mit dem Zeug, das diese Leute verkauften und weswegen der Rauschgiftermittler hinter ihnen her war.
Und das, dachte Bob Arctor, während er vorsichtig heimfuhr, bedeutet, dass sowohl die Dealer als auch die Rauschgiftermittler wissen, was die Drogen, die auf den Straßen verkauft werden, den Menschen antun – wenigstens ein Punkt, in dem sich beide Seiten einig sind.
Von einer nahe gelegenen Tankstelle war ein Automechaniker gekommen, hatte Arctors Wagen durchgecheckt und ihn schließlich für dreißig Dollar wieder in Ordnung gebracht. Sonst schien alles okay zu sein, allerdings untersuchte der Automechaniker ziemlich lange die linke Vorderradaufhängung.
»Stimmt da was nicht?«, erkundigte sich Arctor.
»Möglich, dass Sie Ärger kriegen, wenn Sie scharf um die Ecke biegen«, erwiderte der Automechaniker. »Schwimmt der Wagen?«
Der Wagen schwamm nicht, jedenfalls hatte Arctor das bisher nicht bemerkt. Aber der Automechaniker ließ sich nicht dazu herab, genauere Erläuterungen abzugeben; er tastete nur immer wieder die Achsschenkel ab und den ölgefüllten Stoßdämpfer. Arctor bezahlte die Rechnung. Dann stieg er in seinen Wagen und fuhr Richtung Norden, zurück nach Orange County. Luckman und Barris saßen jetzt beide hinten.
Während er so dahinfuhr, dachte Arctor über verschiedene andere ironische Parallelen zwischen Rauschgiftermittlern und Dealern nach. Mehrere Ermittler, die er kennen gelernt hatte, hatten sich bei ihrer Arbeit als Dealer getarnt und tatsächlich Hasch und manchmal sogar Smack verkauft. Eine hübsche Tarnung, die dem jeweiligen Ermittler zudem einen Profit brachte, der weit über seinem offiziellen Gehalt lag – selbst wenn man die Summen dazurechnete, die der Ermittler immer dann kassierte, wenn durch seine Hilfe eine große Lieferung Stoff abgefangen werden konnte. Außerdem erlagen die Ermittler nach und nach der Versuchung, das Zeug, mit dem sie zur Tarnung handelten, selbst zu konsumieren. Auf diese Weise verstrickten sie sich immer tiefer in die Szene und bald nahm ihre Existenz als Dealer und Süchtiger einen ebenso großen Raum in ihrem Leben ein wie ihre Tätigkeit als Rauschgiftermittler – was schließlich dazu führte, dass einige von ihnen ihre dienstlichen Pflichten zu vernachlässigen begannen und sich stattdessen lieber als
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