Der dunkle Schirm
heißt, dass man seine eigene Stimme nicht wiedererkennt, wenn man sie zum ersten Mal auf Tonband hört. Und wenn man sich auf einem Videoband sieht – oder, wie in diesem Fall, in einem 3-D-Hologramm –, dann erkennt man sich ebenso wenig wieder. Man hat sich vorgestellt, ein großer fetter Mann mit schwarzen Haaren zu sein, und stattdessen ist man eine winzige Frau mit Glatze – kann das so weit gehen? Ich bin sicher, dass ich Bob Arctor erkennen werde, dachte er, und sei es an den Kleidern, die er trägt. Oder durch einen Eliminationsprozess: Das, was nicht Barris oder Luckman ist und hier wohnt – das muss Bob Arctor sein. Falls es nicht einer der Hunde oder eine der Katzen ist. Nein, ich werde versuchen, mein geschultes Auge immer auf etwas gerichtet zu halten, das aufrecht geht.
»Barris«, sagte er, »ich mach mal ’n Abflug. Vielleicht kann ich ja irgendwo ’n paar Schnäppchen machen.« Dann tat er so, als erinnere er sich plötzlich daran, dass er im Moment keinen Wagen hatte, und verzog sein Gesicht. »Luckman, läuft dein Falcon eigentlich wieder?«
Luckman dachte kurz nach. »Nein«, sagte er dann, »ich glaube nicht.«
Arctor wandte sich an Barris. »Kann ich deinen Wagen haben, Jim?«
»Äh, ich weiß nicht… ob du mit meinem Wagen klarkommst.«
Barris brachte diesen Einwand immer, wenn jemand seinen Wagen ausleihen wollte. Er hatte nämlich daran einige Modifikationen vornehmen lassen, deren Natur er nie näher erläuterte und die sowohl
(a) die Radaufhängung
(b) den Motor
(c) den Gaszug
(d) die Hinterachse
(e) das Getriebe
(f) die Elektrik
(g) die Vorderachse und die Lenkung als auch
(h) die Uhr, den Zigarettenanzünder, den Aschenbecher und das Handschuhfach betrafen. Insbesondere das Handschuhfach – Barris hielt es immer verschlossen. Auch das Radio war auf raffinierte Weise verändert worden (wie und warum blieb im Dunkeln) – wenn man einen Sender einstellen wollte, hörte man immer nur Piepsgeräusche und zwar im Abstand von etwa einer Minute, sonst nichts, nie irgendwelche Musik. Manchmal, wenn sie Barris bei einem Einkauf begleiteten, stellte er diesen mysteriösen Sender auf eine ganz besondere Weise ein und drehte das Radio sehr laut, bevor er parkte, ausstieg und sie allein im Wagen zurückließ. Drehten sie dann während seiner Abwesenheit am Frequenzregler herum, wurde er ganz komisch und weigerte sich, auf dem Heimweg mit ihnen zu sprechen oder ihnen auch nur eine Erklärung für sein Verhalten zu geben. Bisher jedenfalls hatte er es ihnen noch nicht erklärt. Wer weiß, vielleicht begann das Radio ja zu senden, wenn es auf diese bestimmte Frequenz eingestellt war, und am Empfänger saßen
(a) die Behörden
(b) eine private, paramilitärische Polit-Organisation
(c) die Mafia
(d) Außerirdische einer höheren Intelligenzstufe.
»Ich meine«, fuhr Barris fort, »der Wagen…«
»Blödsinn!«, unterbrach ihn Luckman barsch. »Das ist ein Wagen mit nem ganz gewöhnlichen Sechszylindermotor. Wenn wir ihn in der Tiefgarage abstellen, fährt ihn der Wächter da ja auch. Warum also nicht Bob, du Arschloch?«
Natürlich hatte Arctor ebenfalls veranlasst, dass ein paar Zusatzgeräte in sein Autoradio eingebaut, dass einige gut getarnte Modifikationen daran vorgenommen worden waren. Aber er sprach nicht darüber. Eigentlich war es ja auch Fred gewesen, der das veranlasst hatte. Jedenfalls war es auf Veranlassung von irgendjemandem geschehen und nun vollbrachten diese Geräte ein paar Kunststückchen, die ein wenig denen ähnelten, die auch Barris’ diverse elektronische Geräte seiner eigenen Aussage nach vollbrachten – was sie natürlich in Wirklichkeit nicht taten.
So strahlte beispielsweise jedes Polizeifahrzeug ein besonderes Interferenzsignal auf der vollen Breite des Frequenzspektrums ab, das in einem normalen Autoradio den gleichen Effekt erzeugt wie ein nicht hinreichend entstörter Motor. Jeder gewöhnliche Autofahrer würde mutmaßen, dass die Zündung des Polizeiwagens defekt sei. In seiner Eigenschaft als Undercover-Rauschgiftermittler war Arctor jedoch eine Apparatur ausgehändigt worden, die ihm, nachdem er sie ins Autoradio eingebaut hatte, eine Menge über das verriet, was um ihn herum vorging, wogegen die Geräusche anderen Leuten – jedenfalls den meisten anderen Leuten – überhaupt nichts sagten, ja, diese anderen Leute erkannten nicht einmal, dass das statische Rauschen ein Informationsträger war. Einmal verrieten die verschiedenen Töne
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