Der dunkle Schirm
ziehen, springt die Kette hinüber auf das andere der beiden vorderen Zahnräder und koppelt nun dieses mit jedem der fünf Zahnräder hinten, was weitere fünf plus fünf und damit zehn Gänge. Verstehen Sie jetzt, wie das funktioniert?
Die Zahl der Gänge wird nämlich immer berechnet, indem man –
(Sie bedanken sich bei ihm und rollen schweigend das Rad ins Haus zurück. Der junge Schwarze, den sie noch 206
nie vorher gesehen haben und der kaum älter als sieb-zehn sein kann und einen unglaublich alten, vermackel-ten Wagen – so eine Art Lieferwagen – fährt, schließt jetzt die Wagentür endgültig ab, und sie machen die Haustür hinter sich zu und stehen da wie begossene Pu-del.)
LUCKMAN: Hat irgendwer von euch Dope dabei?
Where there’s dope there’s hope.«* (Keiner…
Alle Befunde deuten darauf hin, daß eine Trennung
der Hemisphären zwei voneinander unabhängige Be-
wußtseinssphären innerhalb desselben Kraniums er-
schafft, will heißen: innerhalb eines einzigen Organismus. Diese Schlußfolgerung mag manche Leute –
nämlich jene, die das Bewußtsein als eine unteilbare Eigenschaft des menschlichen Gehirns betrachten –
beunruhigen. Andere Kritiker mögen sie als voreilig abtun, weil sie darauf beharren, daß sich die bisher entdeckten Fähigkeiten der rechten Hemisphäre auf
einer quasi automatenhaften Ebene bewegen. Unzwei-
felhaft ist, daß sich bei allen bisher untersuchten Fällen eine deutliche Ungleichheit der Hemisphären hat zeigen lassen, aber es ist durchaus möglich, daß dies nur ein Charakteristikum gerade jener Individuen ist, die wir studiert haben. Wenn das Gehirn eines sehr
jungen Menschen auf die oben beschriebene Weise
»geteilt« würde, läßt es sich keineswegs ausschließen,
* Anm. d. Übers.: Etwa: »Wo es Stoff gibt, da gibt es auch noch Hoffnung.«
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daß in der Folge beide Hemisphären dieses Gehirns
getrennt und unabhängig voneinander mentale Funk-
tionen einer höheren Ordnung entwickeln würden –
und das auf einem Level, das sonst bei normalen Individuen nur in der linken Hemisphäre erreicht wird.
… lacht.)
»Wir wissen, daß Sie eine der Personen in dieser
Gruppe waren«, sagte der medizinische Assistent, der ihm am Tisch gegenübersaß. »Es ist übrigens ganz egal, welche. Keiner von Ihnen war in der Lage, das Rad anzuschauen und die simple mathematische Operation wahrzunehmen, die erforderlich ist, um aus diesem sehr kleinen System von Übersetzungen die richtige Zahl der
Gänge abzuleiten.« Aus der Stimme des Assistenten
konnte Fred ein gewisses Mitgefühl heraushören, einen Versuch, freundlich zu sein. »Problemstellungen wie diese finden sich in jedem Eignungstest für weiterführende Schulen. Waren Sie alle high?«
»Nein«, sagte Fred.
»Eignungstests dieses Schwierigkeitsgrads werden
selbst Kindern vorgelegt«, sagte der andere medizinische Assistent.
»Also woran lag’s, Fred?« fragte der erste Assistent.
»Weiß ich auch nicht mehr«, sagte Fred. Er schwieg
einen Moment lang. Und dann sagte er: »Für mich klingt das alles so, als sei im kognitiven Bereich was schiefge-gangen, nicht im perzeptiven. Spielt bei einem solchen Vorgang nicht das abstrakte Denken eine entscheidende Rolle? Und nicht –«
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»Das könnte man zunächst meinen«, sagte der sitzen-
de Assistent. »Aber Tests haben gezeigt, daß das kognitive System versagt, weil es keine akkuraten Daten erhält.
Mit anderen Worten: Der Input ist auf eine solche Weise verzerrt, daß man, wenn man ihn verarbeiten will, ihn falsch verarbeitet, weil man nicht –« Der Assistent wedelte hilflos mit den Händen in der Luft herum, weil es ihm sichtlich schwerfiel, einen Weg zu finden, die Zusammenhänge in einfachen Worten zu erklären.
»Aber ein Zehn-Gang-Rad hat sieben Zahnräder«, sagte Fred. »Was wir gesehen haben, war korrekt. Zwei vorne, fünf hinten.«
»Aber die Zahnräder an sich sind eben nicht mit den Gängen identisch. Sie haben nicht wahrgenommen – keiner von Ihnen hat das –, wie die sieben Zahnräder durch die Kette miteinander in Verbindung treten müssen, damit zehn verschiedene Übersetzungen und damit zehn
Gänge entstehen. Nämlich die fünf hinten mit jedem der beiden vorne, ganz so, wie der Schwarze Ihnen das ja auch erklärt hat. War er ein sehr gebildeter Mann?«
»Wahrscheinlich nicht«, sagte Fred.
»Das, was der Schwarze gesehen hat«, sagte der ste-
hende Assistent, »unterschied sich grundlegend von dem, was Sie
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