Der dunkle Thron
Wagnis zu zweifeln, Waringham.«
Der nickte und wechselte das Thema. »Habt Ihr irgendetwas von Waringham gehört?«
Chapuys seufzte leise. »Ich hatte gehofft, das würdet Ihr mich nicht fragen. Schlimme Neuigkeiten, fürchte ich: Nathaniel Durham, dieser schamlose Blutsauger, hat Eure Besitztümer gepfändet.«
»Das ist großartig«, entgegnete Nick grinsend. »Ich bedaure, Euch mitteilen zu müssen, dass in England ausnahmsweise einmal etwas geschehen ist, wovon Ihr nichts wusstet, Chapuys. Durham hat auf meine Bitte hin gehandelt.« Er erklärte ihm, warum er sich dazu entschlossen hatte. »Master Durham mag ein unerbittlicher Geschäftsmann sein, aber schamlos ist er nicht«, schloss er. »Er wird mich nicht betrügen, das weiß ich.«
Chapuys schien nicht überzeugt. »Ihr hättet es besser Eurem Paten, dem Duke of Suffolk, anvertraut«, befand er.
Nick schüttelte den Kopf. »Suffolk ist auf seine Art ein guter Mann, aber ich würde ihm nicht weiter trauen, als ich diesen Baumstamm werfen kann. Er hätte Waringham den Howard überlassen, wenn es ihm politisch bequem gewesen wäre, der Duke of Norfolk ihm zum Beispiel etwas dafür geboten hätte, was er wollte. Suffolk ist vor allen Dingen König Henrys Freund, Chapuys. Das ist es, was sein Handeln bestimmt. Er war immer großzügig zu mir, aber er wird mir nie verzeihen, dass ich den Eid verweigert und den König brüskiert habe.«
Chapuys hatte ihm interessiert gelauscht. »Vermutlich hegt er insgeheim einen leisen Groll gegen Euch, weil Ihr vom alten Adel seid, Euer Geschlecht viel älter ist als das seine.«
»Nein. Er hegt einen Groll gegen mich, weil mein Geschlecht älter ist als das der Tudor. Er glaubt, ich lehne mich gegen Henry auf, weil ich mich für besser halte als den König.«
Der Gesandte des Kaisers schlug die Beine übereinander. »Und? Tut Ihr das?«
»Wie könnte ich? Mein Großvater und der Vater des Königs waren wie Brüder. Ihre Väter ebenso. Die Lancaster, aus denen die Tudor hervorgegangen sind, haben immer auf die Lehnstreue und Ergebenheit der Waringham bauen können, auch wenn sie sie vielleicht nicht immer verdient hatten. Wir waren nie Schönwettervasallen, Sir. Aber die Welt hat sich geändert, und die alten Regeln verlieren ihre Bedeutung. Ein schwacher König kann seine Regierung in die Hände korrupter Kardinäle und Juristen legen, er kann die Königin verstoßen und seine Tochter enterben, und alles, was die Lords tun dürfen, ist, all das per Eid zu legitimieren?« Er schüttelte entschieden den Kopf. »Mag sein, dass Männer wie ich so überholt und überflüssig geworden sind wie die Schlachtrösser, die meine Vorfahren einst gezüchtet haben, aber kein Waringham hat sich je einem Tyrannen unterworfen, und ich schwöre bei Gott, ich werde nicht der erste sein.«
Chapuys stand auf und verneigte sich vor ihm. »Wohl gesprochen. Es wäre schade, wenn Männer wie Ihr aus der Welt verschwänden, Mylord. Und nun ist es wohl besser, wir trennen uns.«
»Ja, Ihr habt recht.« Nick stand auf, trat zu Chapuys’ Pferd und strich ihm sacht über die Ohren.
Der kaiserliche Gesandte schwang sich in den Sattel. »Braucht Ihr irgendetwas? Soll ich Euch beim nächsten Mal ein Stück Hirschbraten mitbringen oder ein Brathühnchen?«
»Nein, vielen Dank. Höchstens einen guten Stallburschen könnten wir noch gebrauchen – Jeremy Andrews schindet uns erbarmungslos«, bekannte er grinsend.
»Und mit ihm ist nicht zu spaßen, ich weiß«, gab Chapuys zurück. »Welch ein Glück für die Prinzessin, dass Ihr kein Schönwettervasall seid, Mylord.«
Lachend versetzte Nick dem Pferd einen aufmunternden Klaps. »Auf bald, Chapuys.«
Hatfield, Juni 1534
Das Wetter blieb herrlich, und das Leben in Hatfield ging seinen Gang mit einer geruhsamen, frühsommerlichen Leichtigkeit. Lady Shelton und die übrigen Damen verbrachten viel Zeit mit der kleinen Prinzessin Elizabeth im Garten, und einmal, als Sir Jeremy Nick in die Küche schickte, um Kamillensud für einen entzündeten Huf zu besorgen, erhaschte Nick einen Blick auf sie. Im Schutz eines Holunderbusches blieb er stehen, um sie einen Moment zu betrachten. Polly kniete im Gras und hielt lachend ein kleines, in winzige weiße Seidengewänder gekleidetes Kind in die Höhe. Die Kleine strampelte und gluckste vergnügt. Unter dem Rand ihres Mützchens lugten feine, rötliche Locken hervor, und die Hände, die sie gen Himmel reckte, waren zartrosa. Eine gestrenge Dame in einem
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