Der dunkle Thron
mitgebracht, Waringham. Ich dachte mir, vielleicht vermisst Ihr den Geschmack inzwischen. Von den anderen Annehmlichkeiten des Lebens ganz zu schweigen.«
»Habt Dank, aber lieber nicht. Jemand könnte Wein in meinem Atem riechen, und das wäre verdächtig. Im Übrigen vermisse ich besagte Annehmlichkeiten weit weniger schmerzlich, als ich gedacht hätte.«
Chapuys schmunzelte. »Die Freiheit des einfachen Lebens?«
»Vielleicht«, gab Nick versonnen zurück. »Es ist eine ehrliche Arbeit, und natürlich liegt sie mir. Manchmal vergesse ich dabei für ein paar Stunden, dass mein Kopf in der Schlinge steckt, und dann bin ich zufrieden.« Er winkte mit einem verlegenen kleinen Lächeln ab. »Es hat durchaus seine Vorzüge, nicht Lord Waringham, sondern Tamkin der Stallknecht zu sein«, schloss er.
Chapuys nickte und wurde ernst. »Und?«
»Wir haben zweimal schriftliche Nachrichten austauschen können. Sie waren knapp, und ich weiß natürlich nicht, was die Prinzessin mir alles verschweigt. Aber ich habe das Gefühl, sie ist stark und … kämpferisch. Auf diese leise, scheinbar sanftmütige Art, die ihre Mutter so auszeichnet.«
»Die stählerne kastilische Würde.«
»Und ein Tudor-Dickschädel. Lady Shelton isoliert sie und versucht alles, um sie zu demütigen, aber ich glaube, sie hat wenig Erfolg. Mary erweckt zumindest glaubhaft den Anschein, als fechte sie das alles nicht an.«
»Gutes Kind. Es wird ihre Mutter erleichtern, das zu hören. Wie ist ihre körperliche Verfassung?«
»Besser, schreibt sie, und offenbar stimmt es. Aber sie ist in großer Sorge um ihre Mutter und um More und Fisher. Eine der Mägde hat ihr erzählt, Cromwell hätte befohlen, Sir Thomas zuschauen zu lassen, wie irgendein armer Tropf auf die Streckbank gelegt wird. Stimmt das?«
»Nein, nein«, versicherte Chapuys beschwichtigend. »Das würde Cromwell nicht wagen, denn der König würde es nicht billigen, wenn seinem einstigen Mentor und Lord Chancellor auf so krude Weise gedroht würde. Er hofft immer noch, dass More einlenken wird.«
Nick schnaubte. »Darauf kann er lange warten.«
»Ja, das denke ich auch. Ich habe übrigens mit Lady Meg Roper gesprochen, die um Euch beinah so bekümmert schien wie um ihren Vater. Ich habe ihr gesagt, dass Ihr in Sicherheit seid, aber nicht, was Ihr tut.«
»Gut. Je weniger Menschen es wissen, desto glücklicher bin ich.«
»Das dachte ich mir. Sie korrespondiert mit ihrem Vater, und einmal durfte sie ihn auch besuchen und ihm ein paar Bücher bringen. Derzeit ist er in einem trockenen Quartier im Tower untergebracht und wird mit Höflichkeit behandelt. Aber sie fürchtet, dass man ihn in eines der feuchten Kellerlöcher umquartieren könnte. Offenbar hat er angedeutet, dass die Rede davon war. Dennoch ist er heiter und gelassen und vertraut auf Gott. Sir Thomas eben, wie man ihn kennt.«
»Möge sein Gottvertrauen nie wanken bei dem, was noch kommen mag«, murmelte Nick.
»Amen. Bischof Fisher frohlockt über seine Inhaftierung, wie Ihr Euch denken könnt. Er ist, soweit das bei ihm möglich sein sollte, glänzender Laune. Also sagt der Prinzessin, um diese beiden muss sie sich derzeit nicht bekümmern. Mehr Sorgen macht mir die Königin. Sie beginnt zu befürchten, dass ihr Neffe, der Kaiser, mit seiner Unterstützung über Lippenbekenntnisse nicht hinausgehen wird, und verliert den Mut.«
Nick sah ihn scharf an. »Und hat sie recht mit ihrem Verdacht?«
Der Gesandte des Kaisers warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. »Ihr solltet es besser wissen, als mich das zu fragen, Mylord. Seid gewiss, der Kaiser tut für seine Tante und seine Cousine, was er innerhalb vernünftiger Grenzen tun kann …«
»Das stimmt mich nicht sehr hoffnungsfroh«, bemerkte Nick verdrossen.
»… aber natürlich muss er bei allem, was er tut, die Interessen seines großen Reiches im Auge behalten. Das heißt vor allem, dass er den richtigen Zeitpunkt abwarten muss, um zu handeln.«
»Erspart mir das Diplomatengeschwätz, Chapuys«, verlangte Nick ungeduldig. »Ist er mit uns, oder sind wir allein?«
»Oh, er ist mit uns, Mylord, das steht völlig außer Frage.«
»Und allein sind wir trotzdem«, schloss Nick. »Ihr könnt die Königin nicht sehen, sie kann Mary nicht sehen, Mary darf weder ihre Mutter noch ihren Vater sehen, ich sie nicht.«
»Dennoch hat das, was Ihr hier tut, einen Sinn und macht das Los der Königin und Prinzessin leichter. Ihr solltet jetzt nicht anfangen, an Eurem
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