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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Sommers, und er hatte eingeräumt, dass er besser schlief, seit seine Frau und sein Sohn ihn jeden Tag für ein paar Stunden an die frische Luft scheuchten. Er wirkte aufmerksamer und lebendiger. Nur wenn Nick versuchte, mit ihm über die furchtbaren Dinge zu reden, die sein Vater ihm bei ihrem nächtlichen Gespräch angedeutet hatte, kehrten die Schatten zurück, und Jasper fand in Windeseile einen Vorwand, den Raum zu verlassen. Darum hatte Nick es schließlich aufgegeben, und an Regentagen saß er manchmal auf seinem Bett und starrte das Bild seiner Mutter an, als könne sie ihm seine vielen Fragen beantworten und seine Furcht lindern. Doch seit jenem Abend hatte er es nicht mehr fertiggebracht, das Wort an sie zu richten.
    »Nicht nur Waringham wird hungern«, prophezeite Sumpfhexe. »Mein Bruder, der Duke of Norfolk, schrieb mir, die Ernte in East Anglia und im Norden sei genauso schlecht. Sogar in Wales.«
    Nick achtete sorgsam darauf, dass seine Miene ausdruckslos blieb. Er schob sich einen Löffel Lammbohnen in den Mund und kaute. Ein klitzekleiner Blick, den er mit Laura tauschte, war alles, was er sich gestattete. »Mein Bruder, der Duke of Norfolk« kam ganz besonders häufig in Lady Yolandas Beiträgen zum Tischgespräch vor. Nick nahm an, sie erwähnte ihn so gern, um ihre Stiefkinder daran zu erinnern, dass ihre Familie zwar nur Emporkömmlinge aus dem hinterwäldlerischen Norden sein mochten, ihr Bruder aber ein Herzog war und damit mehr, als die Waringham je gewesen waren.
    Früher wäre das für Nick eine willkommene Eröffnung gewesen. Aber die Zeiten waren ja leider vorbei. »Noch Brot, Madam?« Er reichte ihr den Teller.
    »Danke, Nicholas.« Sie griff zu und streifte ihn mit einem unsicheren Blick, ohne ihm indes in die Augen zu sehen. Seine neue Friedfertigkeit irritierte sie, hatte er festgestellt. Was wohl bedeutete, dass sein Vater ihr nichts – oder zumindest nicht alles – von dem nächtlichen Gespräch und ihrem Abkommen erzählt hatte.
    »Louise?« Auch Brechnuss offerierte er liebenswürdig das Brot.
    Das Lächeln, mit welchem sie ablehnte, wirkte ebenso arglos wie seines, aber Nick sah das höhnische Funkeln ihrer dunklen Augen sehr wohl. Ihr machte er nichts vor, sagte dieser Blick. Sie hatte nicht die Absicht zu vergeben, erst recht nicht zu vergessen, und der Tag der Abrechnung würde kommen.
    Er zwinkerte ihr zu, und sie verstand ihn ebenso gut wie umgekehrt: Ich kann’s kaum erwarten, Brechnuss  …
    »In London sind die Kornpreise schon fast um die Hälfte gestiegen«, berichtete Philipp.
    »Du meine Güte«, erwiderte Lady Yolanda beunruhigt. »Wer soll das denn noch bezahlen können?«
    »Und die Londoner Kaufleute kaufen immer noch Getreide auf«, fuhr er fort.
    Lord Jasper schaute auf. »Das heißt, sie rechnen damit, dass die Preise weiter steigen?«
    Philipp nickte. »Der Preis für Weizen und Roggen wird sich diesen Herbst verdoppeln, schätzt mein Onkel Nathaniel.«
    »Wenn er es sagt, wird es gewiss so kommen.« Lord Waringham legte versonnen den Löffel neben den leeren Teller. »Das ist furchtbar für die Menschen in der Stadt.«
    »Aber gut für die Landbesitzer«, gab Philipp achselzuckend zurück.
    »Wenn wir denn genug Getreide einfahren, um etwas zu verkaufen«, schränkte Nicks Vater ein. »Und dessen bin ich mir keineswegs sicher. Rechne lieber damit, dass du noch ein Jährchen länger auf Lauras Mitgift warten musst, mein Junge.«
    »Oh, das macht nichts, Sir«, versicherte Philipp. »Ich habe Euch gesagt, ich hätte auch draufgezahlt, um sie zu bekommen, und nun bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als zu meinem Wort zu stehen.«
    In die allgemeine Heiterkeit hinein fragte Raymond: »Nick, hast du meine Geschichte schon aufgeschrieben?«
    »Noch nicht. Du weißt doch: nächste Woche, hab ich gesagt.«
    »Was für eine Geschichte, mein Engel?«, fragte Yolanda ihren Sohn.
    Ray erklärte es ihr.
    »Aber woher willst du solch eine Geschichte nehmen, Nicholas?«, wollte sie wissen. »Malory ist doch gewiss noch viel zu schwer für ihn.«
    »Ich denke sie mir aus, Madam, und schreib sie auf«, antwortete Nick bereitwillig. Und nur nicht das Lächeln vergessen, schärfte er sich ein. »In möglichst einfachen Wörtern. Aber wer ›Zauberschwert‹ lesen kann, schafft auch ›Bogenwettbewerb‹.«
    »Oder wie wär’s mit Bogenschusswettbewerb«, schlug Laura vor.
    »Bogenweitschusswettbewerb«, offerierte Philipp.
    Ray hob abwehrend beide Hände. »Bloß

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