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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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so wie König Henry. Seufzend drosch er Nick auf die Schulter. »Und dir ebenfalls, mein Junge. Möge es besser werden als das letzte.«
    »Danke. Was verschlägt Euch nach Greenwich?«
    »Das Bedürfnis, mit einem Menschen aus der königlichen Familie zu sprechen, der noch halbwegs bei Verstand ist«, gab Suffolk mit der ihm eigenen Direktheit zurück. »Ich will zu Lady Mary.«
    »Ihr dürft dreimal raten, wo sie steckt.«
    »In der Kapelle.«
    »Richtig.«
    Der ältere Mann seufzte und drückte verstohlen die Hand ins Kreuz. »Dann werde ich drinnen auf sie warten. Komm mit hinein und trink einen Becher mit mir, Nick. Selten war mein Herz schwerer als heute.« Und doch huschte ein unkompliziertes, jungenhaftes Lächeln über sein Gesicht, als er den Schneemann entdeckte. Der Duke of Suffolk, argwöhnte Nick, war zu oberflächlich, um auch nur zu ahnen, was ein schweres Herz war.
    Während die Begleiter des Herzogs die Pferde den herbeigeeilten Pagen übergaben, begleitete Nick seinen Paten zurück in die beheizte kleine Halle im Erdgeschoss. »Ich muss bald aufbrechen, wenn ich vor dem Schließen der Stadttore in London sein will«, bemerkte er mit einem Blick auf die kunstvoll gefertigte Uhr, die in ihrem goldenen Gehäuse auf einem filigranen Tischchen an der Wand stand. »Aber für einen Becher reicht die Zeit wohl noch.«
    Er schickte nach heißem Wein.
    »Wieso verbringst du die Nacht nicht hier in den Armen deiner bildschönen Frau?«, fragte Suffolk und wärmte sich die Hände über dem Kaminfeuer.
    »Weil ich fürchten müsste, mit einem Dolch zwischen den Rippen aufzuwachen. Wir … haben uns entfremdet.«
    »Wirklich?« Suffolk schien aus allen Wolken zu fallen. »Was hast du angestellt?«
    »Wieso seid Ihr so sicher, dass ich der Schuldige bin?«, erkundigte Nick sich säuerlich.
    Der Herzog hob die massigen Schultern. »Weil es meistens die Kerle sind, die eine gut funktionierende Ehe ruinieren. Treue liegt nun mal nicht in unserer Natur, Nick. Und das können die Damen nicht verstehen.«
    »Nun, unsere letzte Königin hat eindrucksvoll bewiesen, dass es nicht immer die Männer sind, die sich der Untreue schuldig machen.«
    Suffolk stieß einen angewiderten Laut aus. »Das kannst du laut sagen.« Er unterbrach sich, weil der Diener mit dem Wein kam. Als er den Raum wieder verlassen hatte, fuhr der Herzog fort: »Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, sie heute früh in den Tower zu bringen, unsere treulose kleine Königin.«
    »Oh.« Nick trat zu ihm ans Feuer und stellte seinen Becher aufs Kaminsims. »Warum Ihr?«
    »Cranmer hat mich gebeten«, antwortete er. »Er meinte wohl, das arme Kind brauche ein wenig väterlichen Zuspruch.«
    »Und? Brauchte sie Zuspruch?«
    Suffolk schnitt eine kleine Grimasse. »Es hat nicht viel genützt. Sie war … hysterisch. Vollkommen außer sich vor Furcht, als ich ihr eröffnete, wohin ich sie zu bringen hatte. Ich bin kaum mit ihr fertig geworden. Ganz gleich, was ich sagte, sie hat geheult und sich die Haare gerauft und nach Luft gejapst. Es war … erbarmungswürdig.«
    »Gut«, sagte Nick leise. »Wenn Gott gerecht ist, schickt er Katherine Howard denselben Henker wie Cromwell oder der armen Lady Margaret. Eigentlich ist die Axt viel zu schade für sie.«
    »Ja, ich verstehe, dass du verbittert bist.« Suffolk trank vorsichtig von dem heißen Wein und setzte sich in einen der damastbezogenen Sessel am Kamin, der zu klein und zerbrechlich für den stämmigen Herzog wirkte. »Aber Katherine zahlt für ihre Sünden, glaub mir. Unser Weg führte natürlich unter der London Bridge hindurch. Ich habe versucht, das Mädchen abzulenken, aber sie hat die Köpfe von Dereham und Culpeper trotzdem gesehen. Da war’s dann wieder vorbei mit ihrer Haltung, das kannst du mir glauben. Junge, sie hat … gekreischt .«
    »Vermutlich nicht so wie Dereham«, warf Nick flapsig ein.
    Francis Dereham und Thomas Culpeper waren Anfang Dezember hingerichtet worden. Dereham hatte in Tyburn den grauenvollen Verrätertod erleiden müssen, Culpeper – obwohl doch der weitaus schlimmere Sünder – war mit dem Henkersbeil davongekommen. Auch Nick hatte ihre Köpfe über der Brüstung der London Bridge thronen sehen, und sie boten wirklich keinen schönen Anblick.
    »Ich kann dir sagen, Nick, ich war erleichtert, als ich Katherine dem Constable im Tower übergeben habe. Der es allerdings bei Weitem nicht so gut versteht, hysterische Gefangene zu beruhigen wie der gute alte William

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