Der dunkle Thron
Macht in die Nieren.
Ray schrie wieder auf – ein herzerweichender Laut – und begann bitterlich zu weinen.
Nick richtete sich auf Hände und Knie auf und sah zu seiner Stiefschwester. »Louise, die Kinder …«
Stirnrunzelnd blickte sie zu Ray und ihrer kleinen Cousine. »Raymond, nimm Katherine und bring sie nach unten. Na los.«
Aber Ray war außer sich vor Angst und nicht in der Lage zu gehorchen. Ein neuerlicher Tritt traf Nick in die Rippen, und eine brach mit einem hörbaren Laut. Er wurde wieder zu Boden geschleudert, aber er sah noch, dass Louise die Arme verschränkte und ihn mit einem kleinen, fast verschwörerischen Lächeln betrachtete. Fassungslos erkannte er, dass sie die Kinder nicht hinausbringen würde. Ihr Hass auf ihn, ihr Bedürfnis, zu sehen, wie ihr Onkel ihn demütigte, waren einfach zu groß.
»Edmund, bitte …« mahnte Sumpfhexe, als Howard ihn beim Schopf packte, in die Höhe zerrte und mit der Faust ins Gesicht schlug. »Ich glaube, das ist genug.«
Aber Nick hörte ihrer Stimme an, dass sie es nur der guten Form halber sagte. Sie genoss das Schauspiel genauso wie Brechnuss, und das hasserfüllte Strahlen in ihren Augen war das letzte, was er sah, ehe er die Arme schützend um den Kopf legte. Als er ein drittes Mal zu Boden ging, hielt Howard nichts mehr. Ohne alle Hemmungen trat er zu, vor die Brust, den Unterleib, und schließlich in die Hoden. Nick brach der kalte Schweiß aus jeder Pore, und er konnte einen Laut nicht ganz unterdrücken. Doch sofort biss er sich auf die Zunge und schnitt den Schrei ab. Übelkeit, Furcht und Scham über die Erniedrigung, dass dies hier vor den Augen seiner Stiefmutter und -schwester geschah, drohten ihn klein und feige zu machen, aber er rang verbissen um Haltung. Für Ray. Er hörte seinen Bruder schluchzen, während unaufhörlich Tritte auf ihn einhagelten, und klammerte sich an den Gedanken, dass er stark sein musste, dass er um keinen Preis anfangen durfte zu heulen und zu winseln, um es für Ray nicht noch schlimmer zu machen.
»Edmund … Edmund, das reicht«, sagte Lady Yolanda schließlich noch einmal, und jetzt klang es anders. Gepresst. Fast so, als fürchte auch sie sich. »Ich bitte dich, Bruder.«
Die Tritte hörten auf. Nick lag reglos mit geschlossenen Augen auf dem kalten Boden zusammengekrümmt und lauschte dem abgehackten Keuchen über sich.
»Geh mir aus den Augen, du unverschämter Rotzlümmel«, knurrte Howard. »Na los, verpiss dich!«
Nichts lieber als das, dachte Nick. Die Frage war nur, wie? Er war sicher, er konnte sich nicht rühren. Alles tat ihm weh, und das Atmen bereitete ihm Mühe.
Noch einmal landete ein Tritt in seinem Rücken, aber nicht so ungehemmt wie zuvor. »Wird’s bald?«
Nick stützte sich auf die linke Hand, brachte sich in eine knieende Position und zog sich mit der Rechten an der Tischkante hoch. Als er stand, wankte er, und die Übelkeit wurde übermächtig. Er torkelte zur Tür, so schnell er konnte. Auf der Treppe presste er die Hand vor den Mund, und unten war mit einem Mal Bessy, packte ihn wortlos am Arm und zerrte ihn eilig zur erstbesten Tür, hinter der die Leinenkammer lag.
Nick fiel auf die Knie und erbrach. Bessys kühle Hand auf seiner Stirn und ihre seltsam gurrenden, mütterlichen Trostlaute versetzten ihn zurück an einen der wenigen sicheren Orte seiner Kindheit, und als sein Körper sich entspannte, ließ auch das Würgen bald nach. Keuchend verharrte er auf den Knien, und erst als er nach ein paar Minuten die Augen öffnete, sah er, dass Bessy ihm einen Eimer gehalten hatte.
»Woher wusstest du …« Er hatte immer noch Atemnot.
»Es war nicht zu überhören, was er getan hat.« Bessys Stimme klang hart und wütend.
Vorsichtig streckte Nick sich auf den nackten Holzdielen auf der Seite aus und schloss die Augen. »Danke.«
»Besser, Ihr verschwindet.«
»Ja. Gleich. Ich brauche nur einen Moment Pause.« Plötzlich musste er husten, und der Husten ging in einen erbärmlichen Jammerlaut über, weil seine Rippe so weh tat. Er spürte Tränen in den Augenwinkeln und legte einen Arm übers Gesicht. »Verfluchter Drecksack …«
»Das ist er«, bestätigte die Magd mit Nachdruck. »Und er wird Steward, nehm ich an?«
»Eher friert die Hölle ein.«
»Was wollt Ihr denn tun?«, entgegnete sie ungeduldig.
»Gar nichts. Aber sie braucht meine Zustimmung, um einen Steward zu berufen.«
»Und wenn er die Zustimmung aus Euch rausprügelt?«
Nick nahm den Arm vom
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