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Der Dunkle Turm 3 - Tot

Titel: Der Dunkle Turm 3 - Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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sich ihm. Er hatte ein flatterndes, kitzelndes Gefühl an der rechten Wange, als würden dort ein Dutzend Fliegen im Blut krabbeln. Er wollte sie wegscheuchen, wußte aber, er brauchte beide Hände dazu, sich zu stützen.
    Die Gestalt, die auf der anderen Seite des Raums bei der Schleuse zur Küche stand, sah geisterhaft, unwirklich aus. Das lag teilweise daran, daß die Deckenbeleuchtung immer noch flackerte, teilweise weil er den Neuankömmling nur mit einem Auge sah (er konnte sich nicht erinnern, was mit dem anderen passiert war, und wollte es auch nicht), aber größtenteils daran, daß das Geschöpf geisterhaft und unwirklich war. Es sah wie ein Mensch aus… aber der Mann, der einmal Andrew Quick gewesen war, hatte so eine Ahnung, daß es ganz und gar kein Mensch war.
    Der Fremde vor ihm trug eine kurze, dunkle Jacke mit einem Gürtel an der Taille, verblaßte Jeans und alte, staubige Stiefel – die Stiefel eines Landarbeiters oder Rangers oder…
    »Oder eines Revolvermanns, Andrew?« fragte der Fremde und kicherte.
    Der Ticktackmann betrachtete die Gestalt unter der Tür verzweifelt und versuchte, das Gesicht zu erkennen, aber die kurze Jacke hatte eine Kapuze, die hochgeklappt war. Das Antlitz des Fremden blieb im Schatten verborgen.
    Die Sirene stellte ihr Heulen ein. Die Alarmlichter blieben eingeschaltet, hörten aber wenigstens auf zu blinken.
    »Na also«, sagte der Fremde mit seiner flüsternden, durchdringenden Stimme. »Wenigstens können wir uns jetzt denken hören.«
    »Wer bist du?« fragte der Ticktackmann. Er bewegte sich wieder, worauf erneut Gewichte durch seinen Schädel polterten und frische Bahnen in sein Gehirn rissen. So schrecklich dieses Gefühl war, das gräßliche Kribbeln der Fliegen auf der rechten Wange war schlimmer.
    »Ich bin ein Mann mit vielen Namen, Partner«, sagte der Mann aus der Dunkelheit unter seiner Kapuze, und obwohl seine Stimme ernst war, hörte Ticktack Gelächter dicht unter der Oberfläche brodeln. »Manche nennen mich Jimmy, manche nennen mich Timmy; manche nennen mich Handy, manche nennen mich Dandy. Wie man mich ruft, das ist mir egal; Hauptsache, man ruft mich nicht zu spät zum Mahl.«
    Die Gestalt unter der Tür warf den Kopf zurück, und ihr Gelächter zauberte Gänsehaut auf Arme und Rücken des verwundeten Ticktackmannes; es hörte sich an wie das Heulen eines Wolfs.
    »Man hat mich den Zeitlosen Fremden genannt«, sagte der Mann. Er ging auf Ticktack zu, worauf dieser am Boden stöhnte und versuchte, von ihm weg zu kriechen. »Man hat mich auch Merlin oder Maerlyn genannt – aber wen kümmert das, denn de r bin ich nie gewesen, auch wenn ich es nie bestritten habe. Manchmal nennt man mich den Magier… oder den Zauberer… aber ich hoffe, wir können uns auf eine freundschaftlichere Anrede verständigen, Andrew. Eine menschlichere Anrede.«
    Er stieß die Kapuze zurück und enthüllte ein helles Gesicht mit breiter Stirn, das trotz seines freundlichen Aussehens in keiner Weise menschlich war. Große, hektische Rosen erblühten auf den Wangen des Zauberers; in den blaugrünen Augen funkelte eine zügellose Freude, die so wild war, daß sie nicht normal sein konnte; das blauschwarze Haar stand in zerzausten Strähnen ab wie das Gefieder eines Raben; die üppigen roten Lippen teilten sich und entblößten die Zähne eines Kannibalen.
    »Nenn mich Fannin«, sagte die grinsende Erscheinung. »Richard Fannin. Das stimmt nicht genau, aber ich denke, für die Regierungsarbeit wird es genügen.« Er streckte eine Hand aus, deren Handfläche überhaupt keine Linien aufwies. »Was meinst du, Partner? Schüttle die Hand, die die Welt erschütterte.«
    Das Geschöpf, das einmal Andrew Quick gewesen und in den Sälen der Grauen als Ticktackmann bekannt gewesen war, kreischte erneut und versuchte, rückwärts zu kriechen. Der Hautlappen, abgeschält von der Kugel, welche den Kopf nur gestreift hatte, statt ihn zu durchbohren, schwang hin und her; die langen Strähnen graublonden Haars kitzelten Ticktack weiter an der Wange. Aber Quick spürte es nicht mehr. Er hatte sogar die Kopfschmerzen und das Pochen in der Höhle vergessen, wo sein linkes Auge gewesen war. Sein gesamtes Bewußtsein war auf einen einzigen Gedanken geschrumpft: Ich muß fort von dieser Bestie, die wie ein Mensch aussieht.
    Aber als der Fremde seine Hand ergriff und schüttelte, verschwand dieser Gedanke wie ein Traum beim Erwachen. Der Schrei, der in Quicks Brust eingesperrt gewesen war, entrang

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