Der Dunkle Turm 3 - Tot
durchweg künstliche Konstruktion zu sein, ein Ding aus Metall, Schaltkreisen und Metern (wenn nicht Meilen) haarfeiner Metallfäden. Und dennoch konnte er Rostflecken erkennen, nicht nur auf der Oberfläche der halben Schlange, die er noch in Händen hielt, sondern auch in deren Eingeweiden. Und es war eine nasse Stelle zu sehen, wo entweder Öl auslief oder Wasser eingedrungen war. Diese Feuchtigkeit hatte einige der Drähte angegriffen; eine grünliche Substanz, die wie Moos aussah, war auf einigen der daumennagelgroßen Schalttafeln gewachsen.
Eddie drehte die Schlange um. Eine Stahlplakette wies sie als Produkt von North Central Positronics, Ltd. aus. Sie hatte eine Seriennummer, aber keinen Namen. Wahrscheinlich zu unwichtig für einen Namen, dachte er. Nur ein komplizierter mechanischer Roto-Rooter, der hergestellt wurde, um Meister Petz ab und zu einen Einlauf zu verpassen, damit sein Stuhlgang regelmäßig bleibt, oder etwas ähnlich Ekelhaftes.
Er ließ die Schlange fallen und wischte sich die Hände an den Hosen ab.
Roland hatte den Traktormechanismus aufgehoben. Er zerrte an einer der Ketten. Diese löste sich mit Leichtigkeit, Rost rieselte zwischen seine Stiefel. Er warf das Ding beiseite.
»Alles in dieser Welt läuft entweder ab oder fällt auseinander«, sagte er tonlos. »Gleichzeitig werden die Kräfte schwächer, die zusammenwirken und der Welt ihren Zusammenhalt geben. Das wußten wir schon als Kinder, aber wir hatten keine Ahnung, wann die Zeit des Endes dasein würde. Wie konnten wir? Und doch lebe ich jetzt in dieser Zeit und glaube, daß sie nicht allein meine Welt betrifft. Sie betrifft auch eure, Eddie und Susannah; sie betrifft vielleicht eine Milliarde anderer Welten. Die Balken brechen. Ich weiß nicht, ob das eine Ursache oder eins von vielen Symptomen ist, aber ich weiß, daß es stimmt. Kommt! Rückt näher! Hört zu!«
Als Eddie sich der Metallbox mit ihren diagonalen schwarzen und gelben Streifen näherte, überkam ihn eine deutliche und unangenehme Erinnerung – zum erstenmal seit Jahren mußte er an ein verfallenes viktorianisches Haus in Dutch Hill denken, etwa eine Meile von dem Viertel entfernt, wo er und Henry aufgewachsen waren. Dieses baufällige Wrack, das bei den Kindern der Nachbarschaft nur ›die Villa‹ genannt wurde, stand inmitten einer unkrautüberwucherten, ungepflegten Rasenfläche in der Rhinehold Street. Eddie glaubte, daß wahrscheinlich alle Kinder in dem Viertel Gruselgeschichten über die Villa gehört hatten. Sie stand geduckt unter den steilen Dächern und schien Passanten aus den tiefen Schatten der Erker böse Blicke zuzuwerfen. Die Fensterscheiben waren natürlich nicht mehr da – die Kinder hatten Steine durch die Fenster geworfen, ohne sich der Villa zu sehr zu nähern –, aber es war nicht mit Farbe besprüht worden und auch nicht zu einem Schießstand oder einem Liebesnest gemacht worden. Am seltsamsten aber war die Tatsache, daß es ungehindert existierte; niemand hatte es in Brand gesteckt, um die Versicherungssumme zu kassieren oder es einfach nur brennen zu sehen. Die Kinder behaupteten selbstverständlich, daß es dort spukte, und als Eddie eines Tages mit Henry davor auf dem Gehweg stand (sie hatten die Pilgerfahrt eigens auf sich genommen, um dieses legendäre Objekt zu sehen, obwohl Henry ihrer Mutter erzählt hatte, daß sie nur mit ein paar Freunden bei Dahlberg’s Hoodsie Rockets holen wollten), hatte es so ausgesehen, als könnte es wirklich dort spuken. Hatte er nicht eine starke und unfreundliche Macht gespürt, die aus den schattigen Fenstern des alten viktorianischen Giganten zu quellen schien – Fenstern, die ihn mit dem starren Blick eines gefährlichen Irren anzusehen schienen? Hatte er nicht einen schwachen Windhauch gespürt, der die Haare auf seinen Armen und im Nacken aufrichtete? Hatte er nicht die deutliche Intuition gehabt, wenn er dieses Haus betrat, würde die Tür hinter ihm ins Schloß fallen, die Wände würden auf ihn zurücken und knirschend die Knochen von toten Mäusen zermalmen, weil sie auch seine Knochen auf dieselbe Weise zermalmen wollten?
Spuk. Spuken.
Jetzt verspürte er dasselbe Gefühl von Geheimnis und Gefahr, während er sich diesem Metallkubus näherte. Gänsehaut breitete sich an seinen Beinen und Armen aus; sein Nackenhaar richtete sich auf und wurde zu störrischen Strähnen. Er spürte denselben schwachen Windhauch an sich vorüberwehen, auch wenn das Laub der Bäume rings um die
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