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Der Dunkle Turm 3 - Tot

Titel: Der Dunkle Turm 3 - Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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Weltuntergang.
     
     
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    Er war das größte Geschöpf in dem Wald, der einmal als der Große Westliche Wald bekannt gewesen war, und er war das älteste. Viele der riesigen alten Ulmen, die Roland unten im Tal gesehen hatte, waren kaum mehr als Schößlinge gewesen, die aus dem Erdreich kamen, als der Bär wie ein brutaler, wandernder König aus den vagen, unbekannten Weiten von Außerwelt gekommen war.
    Einst hatte das Alte Volk im Westlichen Wald gelebt (auf deren Hinterlassenschaften war Roland in den vergangenen Wochen von Zeit zu Zeit gestoßen), und sie hatten Furcht vor dem kolossalen, unsterblichen Bären empfunden. Sie hatten versucht, ihn zu töten, als sie herausgefunden hatten, daß sie nicht allein in dem neuen Gebiet lebten, in welches sie eingedrungen waren, und ihre Pfeile hatten ihn zwar erbost, aber keinen nennenswerten Schaden angerichtet. Er war freilich nicht verwirrt, was die Ursache seiner Qualen anbetraf, wie die anderen Tiere des Waldes – selbst die Buschkatzen, Raubtiere, die in den Sandhügeln im Westen hausten und ihre Jungen großzogen. Nein; er wußte, woher die Pfeile kamen, dieser Bär. Wußte es. Und für jeden Pfeil, der seine Spitze ins Fleisch unter dem zottigen Pelz bohrte, holte er drei, vier, manchmal bis zu einem halben Dutzend des Alten Volks. Kinder, wenn er sie erwischte; wenn nicht Frauen. Ihre Krieger verschmähte er, und das war die größte Demütigung.
    Als ihnen seine wahre Natur schließlich deutlich wurde, gaben sie die Versuche auf, ihn zu töten. Er war selbstverständlich die Inkarnation eines Dämons – oder der Schatten eines Gottes. Sie nannten ihn Mir, was für diese Menschen ›die Welt unter der Welt‹ bedeutete. Er maß aufgerichtet zwanzig Meter, und nach achtzehn oder mehr Jahren uneingeschränkter Herrschaft im Westlichen Wald starb er. Vielleicht war die Ursache seines Todes anfänglich ein mikroskopischer Organismus in etwas, das er gegessen oder getrunken hatte, gewesen; vielleicht lag es am Alter; höchstwahrscheinlich an einer Mischung von beidem. Die Ursache war einerlei; das endgültige Ergebnis – eine Kolonie Parasiten, die in seinem Gehirn nisteten und sich rapide vermehrten – nicht. Nach Jahren berechnender, brutaler Vernunft war Mir wahnsinnig geworden.
    Der Bär hatte gewußt, daß sich wieder Menschen in diesem Wald aufhielten; er beherrschte den Wald, und auch wenn dieser unermeßlich weit war, entging nichts Wichtiges lange seiner Aufmerksamkeit. Er war den Neuankömmlingen aus dem Weg gegangen – nicht, weil er Angst hatte, sondern weil er nichts mit ihnen zu schaffen hatte und sie nicht mit ihm. Dann hatten die Parasiten ihre Arbeit begonnen, und je schlimmer sein Wahnsinn wurde, um so überzeugter war er, daß es sich wieder um das Alte Volk handelte, daß die Fallensteller und Waldniederbrenner zurückgekommen waren und sie bald ihre alten, dummen Gemeinheiten wiederaufnehmen würden. Erst als er in seinem letzten Bau lag, rund dreißig Meilen vom Platz der Neuankömmlinge entfernt – und bei jeder Morgendämmerung kränker als bei Sonnenuntergang am Vortag –, war er zur Überzeugung gelangt, daß das Alte Volk endlich eine Gemeinheit gefunden hatte, die funktionierte: Gift.
    Diesmal kam er nicht, um Rache für eine unbedeutende Verletzung zu nehmen, sondern um sie endgültig auszurotten, bevor ihr Gift ihm ein Ende setzte… und während er unterwegs war, setzte jegliches Denken aus. Übrig blieb rote Wut, das rostige Summen des Dings zwischen seinem Kopf – des kreisenden Dings zwischen seinen Ohren, das seine Arbeit einmal in geschmierter Stille getan hatte –, und ein ins Unheimliche übersteigerter Geruchssinn, der ihn unfehlbar zum Lager der drei Pilger führte.
    Der Bär, dessen richtiger Name nicht Mir lautete, sondern ganz anders, bahnte sich seinen Weg durch den Wald wie ein wandelndes Gebäude, ein zottiger Turm mit rotbraunen Augen. Fieber und Wahnsinn glommen in diesen Augen. Sein klobiger Kopf, der jetzt einen Kranz aus abgebrochenen Zweigen und Fichtennadeln trug, schwang unablässig von einer Seite auf die andere. Ab und zu nieste er, eine gedämpfte Explosion – Ah-TSCHUH! –, worauf Wolken wuselnder weißer Parasiten aus seinen triefenden Nasenlöchern stoben. Seine Pfoten, die mit neunzig Zentimeter langen Krallen beschwert waren, rissen an den Bäumen. Er ging aufrecht und hinterließ tiefe Spuren im weichen schwarzen Boden unter den Bäumen. Er roch nach frischem Harz und alter, saurer

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