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Der Dunkle Turm 4 - Glas

Titel: Der Dunkle Turm 4 - Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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Gesten halfen ihr nur, ihre Willenskraft zu bündeln. Genau darauf reagierte die Glaskugel – auf Willenskraft und konzentrierte Gedanken. Nun war Rhea dank dieser Schlampe und ihrem Stecher zu wütend, um die Konzentration aufzubringen, die sie brauchte, um den rosa Nebel zu teilen, der in der Kugel kreiste. Sie war einfach zu wütend, um etwas sehen zu können.
    »Wie kann ich es machen, wie es war?«, fragte Rhea die halb sichtbare Frau im Mond. »Sag es mir! Sag es mir!« Aber die Jägerin antwortete ihr nicht, und schließlich ging Rhea wieder hinein, während sie an ihren blutenden Knöcheln saugte.
    Musty sah sie kommen und zwängte sich in die Spinnweben der Nische zwischen Holzstapel und Kamin.

Kapitel 2
    D AS M ÄDCHEN AM F ENSTER
     
    1
     
    Die Jägerin »füllte ihren Bauch«, wie die Alten sagten – man konnte sie schon am Nachmittag am Himmel sehen, eine bleiche Vampirfrau, die im hellen Herbstsonnenlicht gefangen war. Vor Läden wie dem Traveller’s Rest und auf den Veranden großer Ranchhäuser wie Lengylls Rocking B und Renfrews Lazy Susan tauchten nach und nach ausgestopfte Burschen mit Strohköpfen über alten Latzhosen auf. Jeder trug seinen sombrero, jeder hielt einen Korb mit Ernteerträgen in den Armen; jeder sah mit weißen Kreuzstichaugen in die zunehmend leerere Welt.
    Wagen voller Melonen verstopften die Straßen; hellorangefarbene Kürbis- und leuchtend magentarote Scharfwurzhalden türmten sich an Scheunenwänden auf. Auf den Feldern rollten die Kartoffelwagen, denen die Erntehelfer folgten. Vor dem Gemischtwarenladen von Hambry tauchten wie durch Zauberei Erntetalismane auf, die wie Windklangspiele an den geschnitzten Totems hingen.
    Überall in Mejis nähten die Mädchen ihre Kostüme für die Erntenacht (und weinten manchmal darüber, wenn die Arbeit nicht von der Hand ging), während sie von den Jungen träumten, mit denen sie im Green-Heart-Pavillon tanzen würden. Ihre kleinen Brüder konnten kaum noch schlafen, wenn sie an all die Karussells und Spiele und Preise dachten, die sie beim Jahrmarkt gewinnen konnten. Selbst die Ältesten lagen manchmal trotz wunder Hände und schmerzender Rücken wach und dachten an die Freuden des Erntefests.
    Frau Sommer war mit einem letzten Schwung ihres grünen Rocks entschwunden; die Erntezeit war gekommen.
     
     
    2
     
    Rhea scherte sich einen Dreck um Erntetänze oder Jahrmarktsspiele, aber sie konnte genauso wenig schlafen wie diejenigen, denen etwas daran lag. In den meisten Nächten wälzte sie sich bis zum Morgengrauen auf ihrer stinkenden Pritsche, und ihr Schädel pochte vor Wut. In einer der Nächte, nicht lange nach Jonas’ Unterhaltung mit Kanzler Rimer, beschloss sie, sich bis zur Besinnungslosigkeit zu betrinken. Als sie herausfand, dass ihr Graf -Fass so gut wie leer war, verbesserte das ihre Laune allerdings auch nicht besonders; sie versengte die Luft mit ihren Flüchen.
    Sie holte gerade Luft für einen neuerlichen Schwall, als ihr ein Einfall kam. Ein großartiger Einfall. Ein wunderbarer Einfall. Sie hatte gewollt, dass sich Susan Delgado das Haar abschneiden sollte. Das hatte zwar nicht geklappt, und sie wusste nicht, warum… aber sie wusste doch immerhin etwas über das Mädchen, oder nicht? Etwas Interessantes, aye, so war es, etwas wahrlich sehr Interessantes.
    Rhea verspürte nicht den Wunsch, mit ihrem Wissen zu Thorin zu gehen; sie hegte die inbrünstige (und wahrscheinlich närrische) Hoffnung, der Bürgermeister könnte seine wunderbare Glaskugel vergessen haben. Aber die Tante des Mädchens… Angenommen, Cordelia Delgado würde herausfinden, dass nicht nur die Jungfräulichkeit des Mädchens dahin war, sondern dieses obendrein im Begriff war, zu einer geübten Schlampe zu werden. Rhea glaubte auch nicht, dass Cordelia zum Bürgermeister gehen würde – die Frau war nur verklemmt, nicht verrückt –, aber trotzdem hätte sie damit die Katze in den Taubenschlag gesetzt, oder nicht?
    »Miau!«
    Und da sie gerade an Katzen dachte, da war Musty, der im Mondschein auf der Veranda stand und sie mit einer Mischung aus Hoffnung und Misstrauen anstarrte. Rhea grinste grässlich und breitete die Arme aus. »Komm zu mir, mein treuer Freund! Komm her, mein Süßer!«
    Musty begriff, dass alles vergeben und vergessen war, lief seiner Herrin in die Arme und schnurrte dann laut, als Rhea ihm mit ihrer alten und gelblichen Zunge die Flanken leckte. In dieser Nacht schlief die Geisterfrau zum ersten Mal seit einer Woche tief

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