Der Dunkle Turm 4 - Glas
willst.«
»Bert, was ist los mit dir?«, fragte Alain.
»Mit mir? Nichts ist mit mir los, Al – ich bin so glücklich wie ein Jauchzer bei Sonnenaufgang, eine Biene in einer Blüte, ein Fisch im Wasser.« Und als er sich abwandte und wieder zur Tür ging, lachte er erneut.
»Geh da nicht raus«, sagte Alain. »Er hat den Verstand verloren.«
»Wenn unsere Gemeinschaft zerbrochen ist, haben wir keine Möglichkeit mehr, Mejis lebend zu verlassen«, sagte Roland. »Und weil das so ist, würde ich lieber von der Hand eines Freundes als eines Feindes sterben.«
Er ging hinaus. Nach einem Augenblick des Zögerns folgte Alain ihm. Er stellte einen Gesichtsausdruck reinsten Jammers zur Schau.
15
Die Jägerin war gegangen, und der Dämon zeigte sein Antlitz zwar noch nicht, aber am Himmel prangten Sterne, deren Licht stark genug war, um ausreichend zu sehen. Cuthberts noch gesatteltes Pferd war am Balken festgebunden. Dahinter glänzte der viereckige staubige Hof wie ein Baldachin aus angelaufenem Silber.
»Was ist?«, fragte Roland. Sie trugen keine Waffen, keiner von ihnen. Wenigstens dafür musste man dankbar sein. »Was möchtest du mir zeigen?«
»Es ist hier.« Cuthbert blieb an einem Punkt auf halbem Weg zwischen dem Schlafhaus und der verkohlten Ruine des Herrenhauses stehen. Er zeigte mit großer Selbstsicherheit auf etwas, aber Roland konnte nichts Außergewöhnliches erkennen. Er ging zu Cuthbert und sah nach unten.
»Ich sehe nichts…«
Gleißendes Licht – tausendfacher Sternenschein – explodierte in seinem Kopf, als Cuthbert ihm die Faust unter das Kinn schlug. Es war das erste Mal, abgesehen von spielerischen Rangeleien (und als ganz kleine Kinder), dass Bert ihn je geschlagen hatte. Roland verlor zwar nicht das Bewusstsein, aber er verlor immerhin die Beherrschung über seine Arme und Beine. Sie waren da, aber offenbar in einem anderen Land, wo sie wie die Gliedmaßen einer Flickenpuppe umherruderten. Er fiel auf den Rücken. Staub wirbelte um ihn herum auf. Die Sterne schienen seltsamerweise in Bewegung zu sein, sie kreisten und zogen milchige Schlieren hinter sich her. Ein schrilles Läuten ertönte in den Ohren.
Aus weiter Ferne hörte er Alain schreien: »O du Narr! Du dummer Narr!«
Unter immenser Anstrengung gelang es Roland, den Kopf zu drehen. Er sah, wie Alain auf ihn zukam, Cuthbert, der nicht mehr lächelte, ihn aber wegstieß. »Das geht nur Roland und mich etwas an, Al. Halt du dich da raus.«
»Du hast ihn abgelenkt und dann niedergeschlagen, du Dreckskerl!« Alain, den sonst nichts aus der Ruhe brachte, arbeitete sich in eine Wut hinein, die Cuthbert möglicherweise noch bedauern würde. Ich muss aufstehen, dachte Roland. Ich muss dazwischentreten, bevor noch etwas Schlimmeres passiert. Er ruderte mit Armen und Beinen kläglich im Staub.
»Ja – so hat er es mit uns gemacht«, sagte Cuthbert. »Ich habe es ihm nur mit gleicher Münze zurückgezahlt.« Er sah nach unten. »Das wollte ich dir zeigen, Roland. Dieses spezielle Fleckchen Erdboden. Diese spezielle Staubwolke, in der du jetzt liegst. Nimm eine kräftige Nase voll davon. Vielleicht wirst du davon wach.«
Nun wurde Roland selbst wütend. Er spürte die Kälte, die in seine Gedanken einströmte, kämpfte dagegen an, musste aber feststellen, dass er unterlag. Jonas spielte keine Rolle mehr; die Tanks auf dem Citgo-Gelände spielten keine Rolle mehr; die Nachschubverschwörung, die sie aufgedeckt hatten, spielte keine Rolle mehr. Und bald würden auch der Bund und das Ka-Tet, für deren Erhalt er sich so stark gemacht hatte, keine Rolle mehr spielen.
Die oberflächliche Taubheit wich aus seinen Füßen und Beinen; er richtete sich in eine sitzende Haltung auf. Er schaute mit beherrschter Miene und auf dem Boden aufgestützten Händen gelassen zu Bert hinauf. Sternenlicht verschwamm in seinen Augen.
»Ich habe dich sehr gern, Cuthbert, aber ich werde keinen Ungehorsam und keine Eifersuchtsanfälle mehr dulden. Wenn ich dir alles zurückzahlen wollte, würdest du wahrscheinlich am Ende in Fetzen daliegen, daher werde ich dir nur heimzahlen, dass du mich geschlagen hast, als ich nicht damit gerechnet habe.«
»Und ich habe keine Zweifel, dass du das kannst, Freundchen«, sagte Cuthbert, der mühelos in den Dialekt von Hambry verfiel. »Aber vorher möchtest du dir vielleicht das hier ansehen.« Er warf ihm fast verächtlich ein zusammengefaltetes Stück Papier zu. Es traf Roland an der Brust und fiel dann
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