Der Dunkle Turm 6 - Susannah
erwartete hier schon Wunder und Filmstars, schließlich lebte man in einer realen Welt. Obwohl… wenn man bedachte, was ihr um 13.19 Uhr östlicher Sommerzeit an der Ecke Second und Forty-sixth zugestoßen war…
Officer Antassi traf gegen halb vier ein, und sie erzählte ihm fast gegen ihren Willen haarklein, was ihr zugestoßen war, alles, auch den Teil, dass sie sich tervös-naub statt nervös-taub gefühlt und die unheimliche Gewissheit empfunden hatte, die Frau mache sich bereit, diese Scheibe nach ihr zu werfen…
»Die Scheibe hatte also eine scharfe Kante, ja?«, sagte Antassi, der sich auf seinem Block Notizen machte, und als sie die Frage bejahte, nickte er mitfühlend. Irgendetwas an diesem Nicken kam ihr bekannt vor, aber im Augenblick war sie zu sehr damit beschäftigt, ihre Geschichte zu erzählen, um die Assoziation zu verfolgen. Später fragte sie sich jedoch, wie sie so unglaublich dämlich hatte sein können. Das Nicken hatte jedem mitfühlenden Nicken entsprochen, das sie jemals in einem dieser Frau-dreht-durch-Filme von dem Klassiker Die Schlangengrube mit Olivia de Havilland bis zu Durchgeknallt mit Winona Ryder gesehen hatte.
Aber zu dem Zeitpunkt war sie zu engagiert gewesen. Zu sehr damit beschäftigt, dem netten Officer Antassi zu erzählen, wie die Jeans der Erscheinung von den Knien abwärts über den Bürgersteig geschleift hatten. Und als sie damit fertig war, bekam sie erstmals die Erklärung zu hören, die Schwarze sei wahrscheinlich hinter einem Buswartehäuschen hervorgekommen. Und auch die andere – echt zum Totlachen –, dass die Schwarze wahrscheinlich aus irgendeinem kleinen Laden getreten sei, die es in der dortigen Gegend zu Millionen gebe. Was Trudy betraf, so hatte sie ihre Premiere damit, dass es an dieser Straßenecke kein Buswartehäuschen gebe – weder auf der Downtown-Seite der Forty-sixth noch auf der Uptown-Seite. Und anschließend damit, dass es auf der Downtown-Seite seit dem Bau des Gebäudes Hammarskjöld Plaza Nr. 2 keine Läden mehr gebe; das Ganze sollte sich zu einer ihrer beliebtesten Nummern entwickeln, mit der sie eines Tages wahrscheinlich in der verdammten Radio City Music Hall auf die Bühne kommen würde.
Sie wurde erstmals gefragt, was sie unmittelbar vor ihrer Begegnung mit jener Frau zu Mittag gegessen habe, und merkte erstmals, dass sie eine zeitgemäße Version der Mahlzeit zu sich genommen hatte, die Ebenezer Scrooge gegessen hatte, kurz bevor der seinen alten (und längst gestorbenen) Geschäftspartner gesehen hatte: Kartoffeln und Roastbeef. Von etlichen Klacksen Senf einmal ganz zu schweigen.
Sie dachte gar nicht mehr daran, Officer Antassi zu fragen, ob er Lust habe, mit ihr zum Abendessen zu gehen.
Sie warf ihn sogar kurzerhand aus ihrem Büro.
Kurze Zeit später steckte Mitch Guttenberg den Kopf herein. »Glaubt die Polizei, dass sie deine Tasche wieder beibringen kann, Tru…«
»Verschwinde«, sagte Trudy, ohne aufzusehen. »Sofort.«
Guttenberg taxierte ihre blassen Wangen und zusammengebissenen Zähne und zog sich dann zurück, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.
3
Trudy verließ die Firma um 16.45 Uhr, was für sie recht früh bedeutete. Sie ging zur Ecke Second und Forty-sixth zurück, und obwohl das tervös-naube Gefühl ihr die Beine hinaufzukriechen und sich in der Magengrube festzusetzen begann, als sie sich der Hammarskjöld Plaza näherte, zögerte sie keine Sekunde lang. Sie stand an der Ecke und beachtete weder den weißen Befehl GEHEN der Fußgängerampel noch den roten mit WARTEN. Sie drehte sich fast wie eine Balletttänzerin in einem engen kleinen Kreis, ohne sich dabei um die Leute zu kümmern, mit denen sie sich hier die Second Avenue teilte und die sich ihrerseits nicht um sie kümmerten.
»Genau hier«, sagte sie. »Es ist genau hier passiert. Ich weiß, dass es so war. Sie hat mich nach meiner Schuhgröße gefragt, und bevor ich antworten konnte – ich hätte geantwortet, ich hätte ihr sogar erzählt, welche Farbe meine Unterwäsche hat, wenn sie danach gefragt hätte, so habe ich unter Schock gestanden –, bevor ich also antworten konnte, hat sie gesagt…«
Schon gut, Susannah sagt, dass Sie wie ‘ne Frau aussehen, die ungefähr Größe neununddreißig hat. Die hier müssten also reichen.
Na ja, den letzten Teil hatte sie eigentlich nicht zu Ende gebracht, aber Trudy war sich sicher, dass die Frau das hatte sagen wollen. Nur hatte sich dann deren Gesicht verändert. Wie das eines
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