Der Durchblicker: Novelle (German Edition)
nicht richtig schlafen können.
Na, jedenfalls, um Olly machte ich n größtmöglichen Bogen, bis ich’s wieder auf der Reihe hatte. Ich versuchte, bei meinem Alten auszuchillen, was schwierig war, weil das Haus ständig mit seinen Kumpels von der Initiative oder mit Deeks Freunden voll war. Deeks Freunde schienen nie zu trinken oder Drogen zu nehmen oder auf Raves zu gehen. Sie »konnten nich auf den Scheiß«. Sie taten lieber gar nichts, sie saßen einfach rum und taten gar nichts. Deek hatte seine Prüfung zum Verwaltungsbeamten bestanden, zeigte aber keine große Begeisterung darüber oder irgendein Interesse an einer Berufslaufbahn. Ich bewunderte seinen Nihilismus, was die Arbeit anging, den konnte ich verstehen, aber er und seine Kumpels schienen sich für überhaupt nichts zu interessieren. Für sie war alles »Scheiße«: Drogen, Musik, Fußball, Prügeln, Arbeit, Ficken, Geld, Spaß. Sie wirkten wie n Haufen komplett isolierter Pflegefälle.
Olly nervte mich am Telefon. Sie war weitschweifig und mitteilsam, wenn sie darüber redete, was ihre Freunde so gemacht hatten oder gerade machten, wurde aber immer gereizt und streitsüchtig, wenn sie zu uns beiden kam. Es endete dann immer so, dass sie mich am Telefon beschimpfte, dann knallte sie den Hörer auf, als sei sie die gekränkte Partei.
– Weiberärger? lachte mein Alter dann.– Renn nie nem Bus oder ner Frau nach, Junge. Von beiden kommen immer wieder welche um die Ecke.
Echt ne tolle Strategie. Deswegen ist er in den vierzehn Jahren, seit sich Ma verpisst hatte, auch nicht mehr zum Ficken gekommen. Deswegen finden sie n wahrscheinlich irgendwann erfroren an ner Haltestelle.
Nach ein paar Tagen mit Tee, Schokovollkornkeksen, McCain’s Backfrites und Presto-Pizza fühlte ich mich fit genug, um in die Stadt zu gehen. Ich hatte die Biografien von David Niven und Maureen Lipman gelesen, beide waren absolut schauderhaft. Ich bringe sie in die Bücherei zurück und frage den Bibliothekar, ob er mir die Biografie von Viv Nicolson zurücklegen kann. Ich will sie nicht mit in die Stadt nehmen, weil ich am Ende versacke und sie verliere. Außerdem hasse ich es, Sachen mit mir rumzuschleppen. Er lehnt ab und meint, ich müsste es schon auf gut Glück versuchen. Ich steige in einen Bus und werde geil vom Vibrieren des Motors. Ich mache im Geist eine Liste all der Frauen, mit denen ich Sex haben möchte. Ich fühle mich unbehaglich und verlegen, als ich mit einer Erektion aus dem Bus steige. Sie lässt jedoch nach, als ich im West End rumstehe und nicht so recht weiß, was ich als Nächstes tun soll. Ladendiebstahl wäre eine Möglichkeit, und ich versuche mir zu überlegen, was ich brauche, damit ich in einen entsprechenden Laden gehen kann, anstatt einfach irgendwo rein und nur klauen, um was zu klauen.
Ich sehe Tina. Es ist schön, jemanden zufällig in der Stadt zu treffen.– Tina! Wohin willste?
– Ich geh was für Ronnie kaufen. Am Donnerstag hat er Geburtstag.
Natürlich. Ich weiß, wann er Geburtstag hat. Von mir kriegt er gar nix, nicht mal ne Karte, aber ich vergesse das Datum nie.
– Und wie läuft es mit euch beiden? frage ich und ziehedabei eine Braue hoch, eine, wie ich hoffe, leichte, spielerische Geste.
– Ist in Ordnung, meint sie wild kauend und mich nie direkt ansehend, während wir nebeneinander die Lothian Road entlanggehen,– aber er ist dauernd mit Valium zugeknallt. Letzte Woche, da waren wir im Kino. Ich hab für uns beide bezahlt. Damage , so hieß der Film, wa. Er saß da und verpennte den ganzen Film, und als er dann aus war, kriegte ich ihn nicht wach. Also hab ich ihn einfach sitzen lassen.
– Weise Entscheidung, bestätigte ich. Mir gefiel die Kleine, ich konnte es ihr nachfühlen. Ich fühlte mich immer noch n bisschen mitgenommen, aber meine Bürde erschien mir in den letzten Tagen etwas leichter. Ich begriff, warum: kein Ronnie. Tina hatte eine ganz beträchtliche Last von meinen Schultern genommen.
– Und noch was: Ich hab ihn neulich mit nach Haus genommen. Da ist er einfach aufm Sofa eingepennt. Redete kein Wort mit meiner Ma oder meinem Dad. Hat ihnen bloß zugenickt, und ist dann irgendwie weggeratzt.
– Nich der beste Weg, nen guten Eindruck zu machen, wagte ich anzumerken.
– Na ja, mein Dad ist sowieso nicht scharf auf Leute, die viel reden, aber wenn er denkt, es wären Drogen, dreht er völlig durch. Vielleicht sollten Olly und du beim nächsten Mal mitkommen, damit sie sehen können, dass nicht
Weitere Kostenlose Bücher