Der Durchblicker: Novelle (German Edition)
noch mal nicht zu nahe, Kleiner, zischt er abschätzig. Der in Ungnade gefallene junge Schwule verdrückt sich. Denise wendet sich an mich und meint:– Kleine Schwuchteln, gibt’s im Dutzend billiger, die beschissenen kleinen Stricher.
Die Beachtung solcher Protokollfragen ist äußerst wichtig für Denise. Alles muss ganz korrekt gemacht werden. Ich weiß noch, wie er mir vor Jahren ne Leerkassette gab, damit ich ihm ne Platte von The Fall aufnehme.– Denk dran, hatte er gesagt,– schreib ja nich die Songtitel auf die Indexkarte. Schreib sie auf n Extrazettel, und ich übertrag sie dann auf die Indexkarte. Ich hab da so ne spezielle Technik. Nur ich kann das machen.
Ich weiß nicht mehr genau, ob ich’s wirklich vergessen oder ob ich’s absichtlich gemacht hatte, um ihn zu ärgern, aber ich schrieb die Songtitel mit Kuli auf die Karte in der Kassette. Als ich ihm dann die Kassette überreichte, titschte er aus. War total wahnsinnig.– WASN DAS HIER! ICH HAB’S DIR DOCH GESAGT! ICH HAB DOCH GESAGT, SCHREIB SIE NICH DRAUF! fauchte er.– JETZ IS SIE VERSAUT! DAS GANZE SCHEISSDING IS JETZ UNBRAUCHBAR!
Er zerstampfte das Tape und die Hülle unter seinem Stiefelabsatz.
– SCHEISSE, ALLES VERSAUT!
Wenn der nicht pingelig is.
Wir kippten ein paar Drinks. Olly erwähnte ich ihm gegenüber nicht. Sein Tuntengequassel mit den kleinen Jungs ist für ne Weile ganz unterhaltsam. Die Schwulen, die sich im Chapps, im Blue Moon oder im Druck rumtreiben, hassen Denise. Den meisten Homosexuellen ist seine Klischeeschwulentour peinlich. Denise liebt es, gehasst zu werden. In der Siedlung verabscheuten sie seine extrem campen Auftritte. Damals war das lustig, lustig und mutig, aber mittlerweile fängt es an zu ätzen, und ich entschuldige mich und gehe und frage mich beim Gehen, was er wohl hinter meinem Rücken über mich sagen wird.
11
Liebe und Ficken
Ollys Freundin Tina war ein freundliches, unruhiges, überdrehtes Mädel, immer auf dem Sprung; quasselnd, Kaugummi kauend, alles und jeden mit scharfen Falkenaugen auscheckend. Auf der Party bei Sidney sagte Olly mit falscher Schulmädchenstimme:– Sie findet deinen Freund Ronnie süß.
– Halt’s Maul, zischte Tina, entweder war es ihr peinlich, oder sie tat nur so. Ronnie saß auf dem Boden und betrachtete völlig fasziniert den Weihnachtsbaum. Er hatte n paar Valium geschmissen. Sidney überraschenderweise auch. Er erklärte mir, er habe sich »dermaßen Stress gemacht«, dass die Wohnung verwüstet werden könnte, und dadurch auf der Party »negative Vibes« verbreitet, also hätte er ein paar Valium genommen, um »cooler zu werden«.
Olly meinte dann zu mir:– Dass du mir nicht mit dieser kranken Schwuchtel Denise redest, falls er auftaucht! Jedenfalls nicht, solange ich hier bin! Ich fand das n bisschen lästig und unverschämt. Ihr Kleinkrieg mit Denise hatte nichts mit mir zu tun.– Natürlich muss ich mit Denise reden, er ist mein Freund. Scheiße, ich bin praktisch mit Denise aufgewachsen, verdammt noch mal. Und lass endlich diesen homophoben Scheiß, ist ja nicht zum Aushalten.
Dann sagte sie etwas, das mich zu Eis erstarren ließ.– Kein Wunder, dass dich alle Schlauscheißer nennen, zischte sie und rauschte ab.
– Wie … wer hat gesagt …, maulte ich ihren Hinterkopfan, als sie in die Küche verschwand. Ich war zu entspannt, um para zu werden, aber ihre Worte hallten in meinem Kopf wider, und irgendwann würde die Paranoia kommen, so sicher wie auf den Tag die Nacht folgt. Morgen würde ich bei meinem Alten sitzen und versuchen so zu tun, als fühlte ich mich nicht kotzelend und wertlos, und ihre Worte würden durch meinen Kopf zischen wie Psycho-Darts, und ich würde mir über ihre Bedeutung den Kopf zermartern, mich unerbittlich quälen. Da hab ich ja einiges, worauf ich mich freuen kann.
Ich begann ein Gespräch mit Spud Murphy, nem Freund von Raymie Airlie. Ich höre Spud und Raymie gern zu. Sie haben mir ein paar Jahre voraus, sie waren früher schon dabei, und sie sind immer noch dabei. Veteranen. Richtig was lernen kann man von solchen Leuten nicht, aber ihr Geplauder ist okay. Spud jammert immer noch darüber, dass ihn vor Ewigkeiten sein bester Freund abgezogen hat. Es ging um nen Junkdeal, und sein Freund ist heimlich mit der Kohle abgehauen.– Beste Freunde, irgendwie, beste Freunde, wa? Und dann geht der Typ hin und zieht so ne Nummer ab. Voll fertig, irgendwie, verstehste?
– Echt, man kann heutzutage nicht mal mehr Freunden
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