Der Durst nach Blut
von dem Wunsch gewesen, den Lilienkelch zu vernichten. Den Gral, der versagte, als er endlich wieder neues untotes Leben zeugen sollte, und stattdessen - was? -gesät hatte.
Landru hätte das Ding, zu dem der Kelch unbemerkt mutiert war, am liebsten kraft seines Geistes metertief in den Sand der ägyptischen Wüste gestoßen oder in den schlammigen Fluten des Nils versenkt. Damit er nie mehr anrichten konnte, was immer er auch getan hatte.
Doch selbst Landru durfte nicht selbst und vorschnell entscheiden über das Schicksal seines Volkes, das unweigerlich und endgültig dem Untergang geweiht wäre, wenn er den Kelch wieder verloren gäbe.
Und wenn er auch ein Gott gewesen war - er durfte es nicht!
Er würde nicht aufgeben.
Nicht so einfach . ..
Er mußte den Lilienkelch an einen Ort bringen, an dem sein Geheimnis womöglich gelüftet werden konnte.
Wenn es irgendwo jemanden gab, der ihm mit Wissen und alter Macht zur Seite stehen konnte, dann war es Tanor, das Oberhaupt der Delhi-Sippe in Indien.
Tanor teilte mit Landru so manches Geheimnis, und er kannte Wege, an Dingen zu rühren, die mit der Magie der Alten Rasse nicht immer viel gemein hatten .
Einem schlafenden Monstrum gleich, das in seinem eigenen stinkenden Atem verrottete, lag Delhi unter Landru, der auf ledrigen Schwingen durch die Nacht schwebte, den Kelch fest in den Klauen. Er überquerte den Ganges, und wenig später ließ er sich dem Boden entgegensinken. Noch im Landen transformierte er sich zurück in menschliche Gestalt, um die wenigen Schritte bis zu der entweihten Moschee, die die Delhi-Sippe zu ihrem Versammlungsort erkoren hatte, zu gehen.
Daß etwas nicht stimmte, spürte Landru, noch bevor er die goldbeschlagenen Tore erreicht hatte.
Ruhe war stets ein besonderes Merkmal dieses unheiligen Ortes gewesen. In dieser Nacht jedoch woben Schreie die Moschee wie in eine dröhnende Glocke.
Schreie, wie keine menschliche Kehle sie je gebären könnte .
Landru stürmte vor, riß die Tore auf - - und blieb stehen, als wäre er doch dagegen gelaufen!
»Landru!«
Der Vampir wandte den Blick. Tanor trat zu ihm, wie immer nach alter Yogi-Sitte gekleidet. Der kahlköpfige Führer der Delhi-Sitte ließ alle Selbstsicherheit, die ihn früher so ausgezeichnet hatte, vermissen. Seine dunklen Augen flackerten, seine Haut war aschfarben.
»Was geschieht hier?« entfuhr es Landru, während er den Blick erneut schweifen ließ. Das Bild war und blieb unfaßbar.
»Ich hoffte, du wüßtest es«, erwiderte Tanor, Landrus Blicken fiebrig folgend. »Ich dachte, du wärest vielleicht gekommen, um ...«
Er brach ab, als er sah, was Landru in der Hand hielt. Wie etwas völlig Bedeutungsloses .
»Du hast den Kelch?« rief Tanor entgeistert und für einen Moment vergessend, was mit seiner Sippe geschah.
Landru hob die Hand, als fiele ihm der Kelch, das verfluchte Ding, erst jetzt wieder ein.
»Ja«, sagte er. »Ja, ich habe ihn wieder, aber .«
Er suchte halbherzig nach Worten, immer noch gefangen in dem, was hier vorging.
Die ganze Sippe schien sich hierher zurückgezogen zu haben. Die Räume der Moschee waren regelrecht angefüllt mit Vampiren - und Schreien. Würgenden Schreien, aus Schmerz geboren, die sich auf perverse Weise mit dem Gestank vereinigten.
Mit dem Gestank erbrochenen Blutes!
Die Delhi-Vampire würgten Schwälle von Blut aus ihren Kehlen, das sich längst zu pestillenzartig stinkenden Pfützen gesammelt hatte, die wiederum den Boden wie ein rotes Muster überzogen .
»Was hat das zu bedeuten?« wiederholte Landru fassungslos. Vielleicht, weil er ahnte .
»Ich weiß es nicht«, preßte Tanor hervor, als spürte er die Schmerzen aller hier Versammelten in sich selbst.
Und dann erzählte er das Wenige, das er wußte. Erzählte von dem Purpurstaub, der aus dem Nichts gekommen und ihn getroffen hatte, in ihn eingedrungen war und ihm schließlich unter schlimmsten Schmerzen das Bewußtsein geraubt hatte. Und weiter von seinem Wiedererwachen, davon, daß alle anderen schrien, weil sie fürchteten, vor Durst zu verbrennen. Sie waren ausgezogen, um ihn zu löschen, und zurückgekehrt ...
». sie tranken und tranken, und doch vermögen sie ihren Durst nach Blut nicht zu stillen«, schloß Tanor. »Sie speien es aus und altern so schnell, wie ich es noch bei keinem unserer Art gesehen habe.«
Landru zwang sich hinzusehen und fand bestätigt, was Tanor gesagt hatte. Zwar kannte er nur die wenigsten der Sippe mit Namen und von Angesicht - auch
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