Der Earl und sein verführerischer Engel (Historical) (German Edition)
ihre Hand, und sie ließ den Blick suchend die Straße hinauf und hinunter gleiten. „Da hinten. Ich sehe sie.“
Mit einem Handzeichen bedeutete Stephen dem Kutscher zu halten. Er kannte den Mann von Falkirk und war dankbar, dass seine Frau zumindest so viel Verstand besessen hatte, nicht ohne Begleitung zu reisen. Nachdem er Emily beim Einsteigen geholfen hatte, gab er dem Fahrer die Adresse, und stieg selbst ein. Dann rollte die Kutsche los.
Als Stephen neben Emily Platz nahm, machte sich Royce bemerkbar. „Was will der denn hier?“, verlangte der Junge empört zu wissen.
„Royce!“, stieß Emily warnend hervor.
„Ich bringe euch in ein warmes Bett“, erwiderte Stephen. „Oder würdest du es bevorzugen, draußen im Regen zu übernachten?“
Royce warf ihm einen feindseligen Blick zu und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich schlafe überall lieber als in deinem Haus.“
Stephen war nicht in der Stimmung, sich Unverschämtheiten bieten zu lassen, und bedeutete dem Kutscher durch ein Klopfen, anzuhalten.
„Was haben Sie vor?“, fragte Emily entsetzt.
Stephen öffnete die Tür. „Bitte“, sagte er zu dem Jungen. Der Regen prasselte auf das Dach des Gefährts, und ein heftiger Wind schlug ihnen ins Gesicht. Durch die plötzliche Kälte erwachte Victoria und begann zu weinen.
Unsicher und verängstigt blieb Royce sitzen, und schließlich schloss Stephen die Tür.
„Ich dulde keine Unhöflichkeit in Gegenwart deiner Tante. Du wirst meine Autorität anerkennen und mir gehorchen. Hast du mich verstanden?“
Obwohl die Wut dem Jungen ins Gesicht geschrieben stand, brachte er ein Nicken zustande.
„Gut.“ Stephen klopfte ein weiteres Mal gegen das Kutschendach, und die Fahrt wurde fortgesetzt. Eines war sicher – von nun an waren er und Royce erklärte Feinde.
5. KAPITEL
Eine gute Hausfrau sollte niemals zu minderwertigen Zutaten greifen. Es ist besser, sparsam zu wirtschaften und den ein oder anderen Penny zur Seite zu legen, damit man sich die allerbeste Sahne und Butter leisten kann. Denn die Kochkünste einer Frau pflegen nach der Qualität ihrer Desserts beurteilt zu werden …
– aus dem Kochbuch der Emily Barrow –
S tephen schloss die Tür des Stadthauses auf, in dem er sich bisher nur ein einziges Mal aufgehalten hatte – und zwar, um es zu kaufen. Zuvor hatte es dem verschuldeten Witwer Lord Brougham gehört, der überglücklich gewesen war, einen Käufer für das Anwesen gefunden zu haben. Es handelte sich um keine besonders große Residenz, doch sie lag nahe Mayfair in einem äußerst angesehenen Stadtteil.
Im Eingangsbereich roch es ein wenig muffig, und das ganze Haus musste dringend gründlich gelüftet werden. Stephen blieb neben der Treppe stehen, während Emily die Kinder hereinbrachte.
Den Säugling hielt sie schützend an ihre Brust gedrückt, und Royce klammerte sich an ihre Röcke. Obwohl sie sich um eine aufrechte Haltung bemühte, sah man ihr die Erschöpfung an. Wie hatte sie bloß die zweitägige Reise mit keiner anderen Begleitung als dem Kutscher und einer Amme bewerkstelligt?
„Es gibt leider kein Kinderzimmer“, entschuldigte Stephen sich und führte sie die Treppe hinauf zu den Schlafgemächern. „Und im Augenblick haben wir auch noch keine Bediensteten.“ Er hob bedauernd die Schultern. „Ich hatte damit gerechnet, erst in zwei Tagen hier einzuziehen. Ihre Ankunft kommt etwas überraschend.“
„Es reicht völlig aus“, befand Emily lächelnd – die erste freundliche Geste, die sie ihm gegenüber an den Tag legte. „Können Sie mir helfen, eine Schlafgelegenheit für Victoria zu finden?“
In einem der Gästezimmer machte Stephen zwei Lehnsessel ausfindig, die er zusammenschob, damit Emily das Kind dort hineinlegen konnte. Victoria dachte allerdings nicht an Schlafen, und als sie sich partout nicht beruhigen lassen wollte, überließ Emily den Säugling zögernd der Amme Anna. Royce zog seine Schuhe aus, kroch in das für ihn vorgesehene Bett und vergrub sich unter der Decke, wie um sich vor der Welt zu verstecken. Einen Moment lang beneidete Emily ihn und wünschte, es gelänge ihr ebenso leicht, alles zu vergessen, was geschehen war.
Ihr Ehemann war ein Fremder für sie, ein Mann, der nichts für sie empfand. Es war ein albtraumhaftes Gefühl, jemanden zu lieben, der einen einfach vergessen hatte.
Ob er wohl erwartete, dass sie heute Nacht das Bett mit ihm teilte? Bei dem Gedanken versteifte sie sich, denn eine intime Begegnung
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