Der Eden Effekt
kennen.«
»Das ist nicht unser erstes Rodeo, Murphy«, hatte Gallagher lächelnd erwidert.
Anika rieb sich die brennenden Augen. Schon als sie noch ein Kind war, war ihre Mutter mit ihr zu den Rodeos der Viehzüchter in der Umgebung gegangen, zu dem Rodeo auf dem Volksfest in Douglas und sogar zu dem großen in Cheyenne, wo sie die professionellen Rodeo- und Bullenreiter des Cowboy-Verbandes gesehen hatte.
Ein tiefer Schmerz brannte in Anikas Bauch. Was hätte sie dafür gegeben, wieder in diesem kleinen, baufälligen Haus auf der Ranch zu sein, wo das Leben daraus bestand, Jagd auf Mäuse zu machen, die durch die Risse im Fundament krochen, und jeden Cent dreimal umzudrehen, um die Rechnungen bezahlen zu können.
Es klopfte leise an der Tür.
Anika stieg unwillig aus dem Bett und spähte durch den Spion. Vor der Tür stand ein Mann im Anzug mit einem Tablett in der Hand, das mit einer runden silbernen Haube abgedeckt war.
»Wer ist da?«
»FBI, Ms French.« Der Mann hielt seinen Dienstausweis vor den Spion. »Ich muss Sie wecken. Ich habe Frühstück für Sie mitgebracht. Sie müssen in fünfzehn Minuten fertig sein.«
»Es ist Viertel nach drei!«, rief Anika.
»Das Weiße Haus will Sie sprechen, Ma’am.«
»Einen Moment bitte.« Anika zog sich schnell ihre Hose an und stopfte das langärmelige T-Shirt in den Hosenbund. Gähnend kehrte sie zur Tür zurück, schaltete das Licht ein und blinzelte, als der Agent eintrat und das Tablett auf den Tisch stellte.
»Tut mir leid, Ma’am«, sagte er, als sie den Deckel hob. Auf dem Teller lag ein Sandwich.
»Frühstück?«, fragte sie und schaute den Mann verständnislos an.
Anikas Blick fiel auf die kleine Spraydose, die er in der Hand hielt, da sprühte er ihr auch schon ins Gesicht.
Sie trat einen Schritt zurück, wirbelte herum und schlug die Hände vors Gesicht. Sofort darauf drehte sich alles vor ihren Augen. Als sie weiche Knie bekam, fing der Mann sie auf. Er legte sie vorsichtig auf den Boden und sprach in ein winziges Mikrofon. »Ich hab sie.«
Dann verschwamm alles vor ihren Augen, und die Welt um sie herum löste sich auf.
Mark stand unter der Dusche, rieb sich die Pobacken und freute sich, dass er seine Knie wieder spürte.
Was zum Teufel ist mit mir passiert? Was Denise wohl dazu sagen würde? Vermutlich, dass er genau das bekam, was er verdient hatte.
Mark seufzte und war dankbar, dass sie, Will und Jake in Wyoming in Sicherheit waren. Wenn die Jungen nicht gewesen wären, hätte er sich schon vor Jahren scheiden lassen.
Lügner . Er hatte seine Frau für seine Universitätskarriere gebraucht. Ein verheirateter Mann galt als reifer, ausgeglichener und verantwortungsbewusster.
»Was bist du nur für ein Stück Dreck, Mark Schott.«
Es kam ihm so vor, als wäre dieser alte Mark Schott nur eine Art Illusion oder vielleicht ein Traum gewesen. Gab es Denise und die beiden Jungen wirklich? Hatte er dieses Leben geführt? Stand in Laramie wirklich ein Haus mit seinem Namen an der Tür? Hatte er vor all den Studenten Vorlesungen gehalten? Hatte er sich tatsächlich so ins Zeug gelegt, um die Karriereleiter hinaufzusteigen und Institutsleiter zu werden? Hatte er all diese Affären gehabt?
In Oberau hatte sich etwas verändert. Er hatte einen Blick in ein anderes Leben geworfen, das ihm seltsamerweise realer und doch auch wie ein Traum erschien.
Mein Gott, Stephanie mit einer Maschinenpistole? Noch interessanter war, wie sie sie gehalten und das Ziel anvisiert hatte. Man hätte meinen können, die schwarze Waffe sei eine Verlängerung ihres Körpers gewesen.
War das wirklich die kultivierte Frau? Mark versuchte die beiden Bilder von Stephanie miteinander zu verbinden: Liebhaberin und Mörderin. Doch es wollte ihm nicht gelingen.
Er blinzelte in das Wasser und drehte die schicke Mischbatterie zu. Habe ich tatsächlich mit einer Mörderin geschlafen, die geplant hat, mich zu töten? Ist diese Frau mit der Maschinenpistole dieselbe Frau, die mir leidenschaftliche Blicke zugeworfen hat?
»Wie viele Menschen hast du in der Villa getötet, süße Stephanie?«
Mark trat aus der Dusche heraus und trocknete sich ab. Dann wischte er über den beschlagenen Spiegel und schaute sich an. In eine solche Situation gerieten Anthropologie-Professoren normalerweise nicht.
Er nahm seine Kleidung vom Toilettendeckel, zog sich an und ging zurück ins Hotelzimmer.
Michelle saß auf der Kante des Himmelbetts und sortierte den Inhalt des Rucksacks. »Fühlen Sie
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