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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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einigen Leuten von Blackstone losgehen, um das Ding »aus sicherer Entfernung« genauer anzuschauen. Was immer »sichere Entfernung« bedeutete. Seiner Frau wollte er von diesem kleinen Ausflug lieber nichts erzählen. Sie hatte bestimmt ganz andere Vorstellungen von Sicherheit.
    »Ich werde dann gehen«, sagte Ronnie, »wenn du einverstanden bist. Heather nehme ich mit zu mir. Sie kann auf dem Sofa schlafen. Das arme Mädchen. Wir dürfen sie nicht allein lassen.«
    Kipper drehte sich halb zu ihr um und lächelte. »Danke, dass du dabeibleiben willst. War ein ganz schöner Trubel heute, was?«
    »Stimmt. Ist mit dir alles in Ordnung, Chef? Soll ich dich wegschicken zu deiner Frau und deinem Kind?«
    »Ich gehe gleich, mach dir keine Sorgen. Eigentlich hab ich keine Lust, noch länger hierzubleiben. Aber leider hab ich keine andere Wahl.«
    Ronnie sah ihn missbilligend an.
    »Das stimmt so nicht. Es gibt immer mehrere Möglichkeiten.«
    »Ja, klar, aber manchmal sind sie alle miserabel.«
    »Ha!«, lachte sie. »Du klingst wie ein Schwarzer.«

    Kipper drückte die Stirn gegen die kalte Fensterscheibe, die von Tausenden kleiner giftiger Tropfen übersät war.
    »Barney wird nicht der Einzige bleiben.«
    »Wieso?«
    »In einer Stadt wie Seattle sind die Leute nicht dafür gemacht, unter solchen Umständen zu leben. Wir haben heute einen Militärputsch erlebt. Und ich helfe denen auch. Dabei sollte ich sie eigentlich stoppen.«
    »Das ist doch Unsinn! Du sorgst dafür, dass die es warm haben, dass sie ein Dach über dem Kopf haben und zu essen und zu trinken bekommen.«
    »Und sorge dafür, dass die Züge pünktlich ans Ziel kommen …«
    »Welche Züge?«
    »Entschuldige, ich spreche in Rätseln. Ich meine nur, ich weiß doch gar nicht, ob es mir gelingen kann, diese Stadt am Leben zu erhalten. Ich frage mich, ob wir nicht besser alle davonlaufen sollten. Schau dir doch bloß mal dieses Ding an …«
    Sie blickte weiter ihn an, nicht das unheimliche Glimmen am Horizont.
    »… es hat alle verschluckt, Ronnie, mit Haut und Haaren. Es kann gut sein, dass es sich weiter ausdehnt und uns allen innerhalb von zwei Minuten den Garaus macht.«
    »Kann sein«, sagte sie leise. »Mir bleibt nichts, außer meinem Vertrauen auf Gott. Ich weiß, dass du kein gläubiger Mensch bist, Kip. Aber ich werde am Sonntag für dich ein paar Gebete sprechen. Ich weiß, dass Gott nichts ohne Grund tut. Am Ende hat es alles einen Sinn. Seinen Sinn. Und ich glaube nicht, dass er die Absicht hat, noch mehr Verderben über uns zu bringen. Was ist, das ist, und wir müssen es ertragen. Auch du musst es ertragen, Kipper. Ob du an Gott glaubst oder nicht.«
    »Ich wünschte, ich könnte an ihn glauben, Ronnie.«
    »Genauso ist es Jesus auch ergangen.«

    Von jedem anderen hätte er sich so etwas nicht sagen lassen, aber er arbeitete schon sehr lange mit Ronnie zusammen und wusste, dass sie es nur gut mit ihm meinte.
    »Kommst du morgen wieder rein?«, fragte er.
    »Als ob du das fragen müsstest.«
    »Tut mir leid. Ich muss mich zu einer Entscheidung durchringen. Wenn ich es recht bedenke, werde ich Blackstone entgegentreten. Ich werde von ihm verlangen, dass er die Stadträte freilässt und den Ausnahmezustand lockert.«
    »Nach dem Motto: Lass mein Volk ziehen?«, fragte Ronnie lächelnd.
    »So ungefähr.«
    »Und was ist, wenn er dich auch verhaften lässt?«
    »Na ja, man muss sich halt entscheiden, oder?«
    »Muss man wohl. Ich bin sicher, dass du die richtige Entscheidung treffen wirst.«
    Kipper antwortete nicht sofort. Er schaute nach draußen auf das menschenleere Stadtzentrum. »Kümmere du dich um Heather«, sagte er schließlich. »Sie ist ein nettes Mädchen und hat niemanden mehr auf der Welt.«
    »Sie ist nicht die erste verlorene Seele, die wir bei uns aufnehmen, und bestimmt auch nicht die letzte. Pass gut auf dich auf, Kip. Bleib hier nicht die ganze Nacht. Geh nach Hause. Deine Familie braucht dich auch.«
    »Das werde ich tun, Ronnie. Gute Nacht.«
    Er drehte sich wieder zum Fenster und starrte in den Regen, während sie ging. Die Stadt war dunkel, nur wenige Lichter brannten hier und da, vor allem in Büros, wo er noch andere Menschen herumlaufen sah. Ab und zu ging eins der Lichter aus. Er versuchte vergeblich, das rötliche Glimmen der Welle ausfindig zu machen. Die Wolken waren jetzt zu dicht geworden.
    Ronnie hatte Recht, es war an der Zeit, nach Hause zu gehen.

    Der Weg zu seinem Wagen durch den stetigen, ätzenden Regen

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