Der Effekt - Roman
Land anlaufen und unser Geld eintauschen. Sind die Kaimaninseln betroffen? Oder der Panamakanal?«
»Das können wir ja herausfinden.« Jules deutete auf den Bildschirm. »Aber ich glaube nicht, dass wir es rechtzeitig dorthin schaffen. Wir müssen irgendwo in der Nähe an Land gehen. Es muss ein Ort sein, der groß genug ist, um das Geld einzutauschen, aber weit genug entfernt von diesem … was immer das ist … jedenfalls darf dort noch keine Panik herrschen.«
»Acapulco ist immer noch da«, sagte Fifi. »Aber die Stadt ist abgeriegelt, heißt es im Radio.«
Jules zuckte mit den Schultern. »Das ist doch gar nicht so schlecht. Die halten den Deckel vielleicht lange genug drauf, dass wir rein und wieder raus können. Als Alternative böte sich sonst nur noch Guatemala oder El Salvador an.«
Pete dachte angestrengt über die Katastrophe nach, in der sie sich plötzlich befanden. Ein Bildschirmfenster, in dem die neuesten Nachrichten von Google präsentiert wurden, ging auf und informierte sie, dass es bereits dreitausend Einträge zu dem »Effekt« gäbe. Kein einziger davon kam aus Nordamerika. Die blauen Hyperlinks verwiesen alle auf Adressen in Europa oder Asien. AFP meldete, der Handel mit Wertpapieren an den Börsen von London, Tokio und Sydney sei ausgesetzt worden. Darunter fand sich ein Bericht der russischen Nachrichtenagentur Nowosti, dass die russischen Truppen in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden seien. Pete hielt sich fest, als die Diamantina erneut von einer noch größeren Welle zur Seite geworfen wurde.
»Du hast Recht«, entschied er. »Wir müssen möglichst schnell an Land. Die Sache sieht übel aus, womöglich stürzt die ganze Welt in den Abgrund. Wir nehmen Kurs auf Acapulco.«
»Bist du sicher?«, fragte Fifi, die unter ihrer Sonnenbräune blass geworden war. »Das ist doch ziemlich nah dran an diesem … Ding.«
»Ich weiß«, sage Pete. »Aber ich habe dort Freunde. Na ja, jedenfalls Kontakte. Und dieses Phänomen scheint sich nicht zu bewegen.«
Noch nicht, dachte er.
05
Hauptquartier der Koalitionstruppen, Katar
Schock und Furcht ließen nicht lange auf sich warten. Das Hauptquartier der Koalitionstruppen in Katar war ein Brennpunkt der Kommunikationsverbindungen, die nicht alle vom Militär kontrolliert wurden. Hunderte von Journalisten hatten sich dort versammelt, um über die Invasion des Irak zu berichten, und die meisten, wenn nicht alle, hatten direkten telefonischen Kontakt und Datenzugang zu ihren eigenen Zentralen und natürlich auch zu den sonstigen weltweit operierenden Medien. Der »Effekt«, wie er inzwischen allgemein genannt wurde, war kurz vor einer angesetzten Pressekonferenz im Großen Mediensaal bekanntgeworden. Die anwesenden Journalisten hatten genug Zeit gehabt, in Panik zu geraten und ihre Kollegen, die keine Lust auf trockene, vom Blatt verlesene Verlautbarungen hatten, davon zu unterrichten, dass es sich lohnen würde, an diesem »Theater« teilzunehmen. Bret Melton wunderte sich, wie voll es auf einmal wurde. Normalerweise war der Raum gerade mal zur Hälfte gefüllt, aber heute waren alle Plätze besetzt und weiter hinten standen jene, die keinen Stuhl mehr ergattern konnten, im Mittelgang. Er glaubte nicht, dass dies dem Umstand zu verdanken war, dass die britischen und australischen Kommandeure heute ihre erste gemeinsame Konferenz mit General Franks abhalten sollten.
Tatsächlich waren Franks und seine Koalitionspartner nirgendwo zu sehen, als ein Oberst der USAF das Podium
betrat. Melton, ein ehemaliger Army Ranger, war seit neun Jahren Auslandsreporter der Army Times und kannte die meisten der in Katar stationierten Presse-Offiziere persönlich. Den Oberst von der Air Force hatte er noch nie gesehen. Er holte sein Diktafon heraus, als der Offizier auftauchte, um sicherzustellen, dass gut zwanzig Sekunden mit dem Durcheinander der laut gerufenen Fragen der rund zweihundert anwesenden Journalisten mit aufs Band kam. Er konnte gern darauf verzichten, den Vortragenden mit irgendwelchen Fragen zu bombardieren, die er in dem Lärm sowieso nicht hören konnte. Was sollte es also bringen? Das Beste war, abzuwarten, bis der Tumult sich gelegt hatte. Der Oberst tat nichts, um die Journalisten zu beruhigen. Er legte seine Papiere auf das Pult, blieb ruhig stehen und schaute sich die wild durcheinanderschreiende Journalistenmeute kühl und reserviert an. Ungefähr eineinhalb Minuten nachdem er den Saal betreten hatte, beruhigten sich die Reporter
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