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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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hatte, waren sie an einer Geschichte mit Bezug nach Europa interessiert.
    Wundersamerweise war das Geld hier in Kuwait noch etwas wert, zumindest in dem hermetisch abgeriegelten Internationalen Flughafen. Also konnte er sich etwas zum Anziehen kaufen und einen Teil seiner beschädigten oder verlorenen Ausrüstung ersetzen. Am angenehmsten aber war, dass er in einer Apotheke einige Rezepte einlösen konnte. Und nun, nachdem er dieses kafkaeske Gefühl vollkommener Verlorenheit losgeworden war, konnte er endlich wieder mit Appetit essen.
    »Was wirst du tun, wenn du nach London kommst?«, frage Al-Mirsaad.
    »Ich soll eine ganze Reihe Interviews geben. Du weißt schon, diese aufregenden Berichte eines Frontkorrespondenten.
Außerdem habe ich versprochen, einen längeren Artikel für ihre Website zu schreiben, und dann will ich dieses Buch angehen, über das ich nachgedacht habe. Würde mich aber auch nicht überraschen, wenn sie mich gleich wieder hierherschicken. Gestern haben sie eine Menge Leute verloren, Reporter aus allen Büros in der Region. Sie werden mich bestimmt anheuern wollen, aber das würde wohl bedeuten, dass ich wiederkomme.«
    »Möchtest du das denn?«
    »Ich weiß nicht, was ich möchte. Etwas ganz Normales wäre auch mal schön. Vermisst du die Normalität, Sadie? Ich schon. Aber ich kann nicht mehr nach Hause, also ist es aus damit. Ehrlich gesagt würde ich mich gern irgendwohin zurückziehen und in aller Ruhe mein Buch schreiben. Ich muss nicht andauernd bis an die Zähne bewaffnete Menschen um mich herum haben. Und du?«
    »Ich bin Araber«, sagte Al-Mirsaad düster. »Ich bin in einer Welt aufgewachsen, in der überall bis an die Zähne bewaffnete Männer herumstehen.«
    »He, ich bin in Kentucky groß geworden. Da war es genauso.«
    Die Reisenden für den Flug nach London wurden an Bord gebeten. Melton spürte einen leichten Druck in der Brust und hatte einen Kloß im Hals.
    »Tja, Sadie, alter Freund, ich muss dann wohl los. Vielleicht komme ich ja zurück, mal sehen … Ich möchte mich dafür bedanken, dass du dich um mich gekümmert hast. Wer weiß, wo ich gelandet wäre, wenn du mich nicht aufgegabelt hättest.«
    Al-Mirsaad hielt ihm die Hand hin. Er schüttelte sie vorsichtig, wegen seiner Verletzungen.
    »Geht schon in Ordnung, ich hab einfach nur einem Freund einen Gefallen tun wollen, ich hab’s gern getan … ich hoffe, dass wir Freunde bleiben, Bret. Wenn wir überleben.«

    »Ja, wenn … Pass auf dich auf, Sadie. Ich melde mich übers Internet bei dir, wenn ich irgendwo angekommen bin.«
    Der Jordanier gab ihm einen vorsichtigen Klaps auf die Schulter und trug seine Tasche das kleine Stück bis zum Gate. Die meisten Menschen, die dort warteten, waren Zivilisten, die Hälfte Europäer, die andere Hälfte Araber, allerdings, das wurde Melton schnell klar, waren sie alle britische Staatsbürger. Niemand sah aus, als würde er gern verreisen. Kein Wunder, denn Teile von England standen inzwischen unter Kriegsrecht und wurden mit harter Hand kontrolliert. Außerdem konnte niemand sicher sein, sein Ziel auch wirklich zu erreichen.
    Tausende Fluggäste waren umgekommen, weil Maschinen wegen des elektromagnetischen Impulses der Atomexplosionen manövrierunfähig geworden waren.
    Die beiden Journalisten sprachen kein Wort, bis Melton seinen Boarding-Pass bekommen hatte. Die Stewardess war freundlich und höflich wie immer, was die Situation nur noch irrwitziger wirken ließ.
    »Viel Glück. Und vielen Dank nochmal.«
    »Gute Reise, mein Freund, Gott sei mir dir«, sagte Al-Mirsaad.
     
    Er war ungeheuer dankbar für die Bequemlichkeiten der Business-Class. Im Vergleich zu den Stahl- und Plastikstühlen und den stinkenden Schlafsäcken, die er in der letzten Zeit benutzen musste, war es, als würde er sich in ein üppig gepolstertes Hotelbett legen. Während er seinen Orangensaft trank und aus dem Fenster schaute, war es fast möglich, sich einzubilden, dass eigentlich alles normal war. Die Business-Class war ausgebucht, aber es blieb dennoch für jeden genug Platz. Die anderen Fluggäste waren bis auf eine Ausnahme männlich. Die Frau sah aus wie eine Bankerin oder Anwältin und begann sofort irgendwelche
Aktenordner aufzuschlagen, nachdem sie Platz genommen hatte. Sie setzte sich Kopfhörer auf und schaltete den iPod ein, um jeden zu entmutigen, der vorhaben sollte, sie anzusprechen. Sie kannte sich aus.
    Der Mann neben ihm auf dem Fensterplatz nickte ihm knapp zu, bevor er sich wieder

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