Der Effekt - Roman
ganz normaler Vorgang, wenn der nationale Notstand ausgerufen wird. Seht ihr … Und Doktor … wie war doch noch Ihr Name?«
»Colbert.«
»Dr. Colbert, ich muss also nicht sterben?«
Er schien erleichtert, dass er sich wieder auf vertrautem Terrain bewegen durfte.
»Noch nicht. Aber es kann sehr schnell zu Ende sein, wenn Sie sich nicht einer Behandlung unterziehen. Sie sind noch nicht arbeitsunfähig, aber die Verletzung in Ihrem Gehirn erfordert eine sehr intensive Therapie und zwar möglichst bald. Wir können Sie allerdings nur ambulant behandeln … wir brauchen das Bett.« Er zuckte mit den Schultern und lächelte zum ersten Mal entschuldigend.
Ein einzelner, hoher Ton erklang, und dann belebte sich das Fernsehbild wieder. Tony Blair erschien. Er saß an einem Schreibtisch in einem Zimmer mit Bücherschränken an den Wänden, hinter ihm hing die britische Flagge. Sein Blick wirkte gehetzt, und trotz des professionell aufgetragenen Make-ups wirkte er blass und fleckig.
»G… guten Abend«, stotterte er.
Colbert hatte nicht übertrieben, als er erklärt hatte, er bräuchte das Bett. Eine Stunde später musste Caitlin Monroe, die sich weiterhin als Cathy Mercure ausgab, das Krankenhaus verlassen. Aus ihrem Kopfverband ragte noch immer ein Sensorkabel, das sich inzwischen in ihrem ungewaschenen Haar verheddert hatte. Die drei Antikriegsaktivisten umringten sie, als sie vom Bett aufstand, um sich anzuziehen, und ließen auch nicht von ihr, als sie über die Flure, vorbei an hysterischen Irren, dem Ausgang zustrebte, obwohl sie selbst sie liebend gern losgeworden wäre.
Caitlin stellte überrascht fest, dass die allgemeine Katastrophenhysterie die Patienten im Krankenhaus schon erfasst hatte. Das lag vielleicht daran, dass dies ein Ort war, an dem fast alle Menschen unter erheblichem Druck standen und besonders viel fernsahen, während sie auf ihre Operation warteten. Auf dem Weg zum Ausgang bemerkte
sie eine ganze Reihe hysterischer Typen. Eine Frau rannte direkt in sie rein, eine mächtige Pariser Matrone, die mit so viel Wucht in ihre Gruppe prallte, dass Maggie rückwärts zu Boden fiel. Währenddessen schrie sie laut etwas vom Ende der Welt und verschwand dann um eine Ecke, mit bedrohlich wackelndem monströsem Hintern, der unter ihrem knappen Krankenhauskittel hervorragte.
»Wenn ich draußen bin, geht es mir bestimmt besser«, erklärte Caitlin ihren Begleiterinnen.
Abgesehen von Monique, die noch immer misstrauisch war, verhielten sich die drei Friedensaktivistinnen nicht viel anders als die ausgerasteten Franzosen um sie herum. Maggie stand wieder auf und murmelte, sie müsse unbedingt sofort ihre Schwester in Connecticut anrufen. Tante Celia fluchte noch immer mehr oder weniger leise vor sich hin, egal auf welche Weise man sie ansprach. Alle versuchten halbherzig, sie zu überreden, im Krankenhaus zu bleiben. Kurz sprachen sie mit Dr. Colbert und wollten ihn davon überzeugen, dass sie zu krank sei, um entlassen zu werden. Caitlin war ziemlich klar, dass alle drei längst mit ihren eigenen Angstvisionen kämpften und kaum genügend Energie für andere Dinge übrighatten. Die ganze Stadt befand sich wahrscheinlich in diesem Zustand. Die ganze verdammte Welt drehte durch.
Was sie selbst betraf, wusste sie nicht, was sie von den Nachrichten aus den Staaten halten sollte. Das Ganze klang einfach aberwitzig. Sollte sich herausstellen, dass sie sich mitten in einem modernen »Krieg der Welten«-Katastrophenszenario befand und tatsächlich von Echelon abgeschnitten war, bedeutete das, dass sie blind und unbewaffnet mit einer feindlichen Welt konfrontiert war.
Vor einem einzigen Fernsehapparat, der unter der Decke des Wartezimmers hing, hatte sich eine große Gruppe von Zuschauern zusammengefunden, sie verfolgten aufgeregt die neuesten Nachrichten eines französischen Senders
und kommentierten sie. Caitlin ignorierte die Ansammlung. Sie hatte genug damit zu tun, ihre Entlassung bei einer großen, sehr unkonzentrierten Frau am Empfangspult durchzubekommen. Wie alle im Krankenhaus schien sie sich nicht einmal für wenige Sekunden von den Katastrophenmeldungen losreißen zu können. Monique zupfte sie am Ärmel und sagte zu ihr: »Hallo, ich möchte mit Ihnen reden!« Maggie hatte nun ihrerseits eine Reihe von öffentlichen Fernsprechern entdeckt und rief laut: »Also gut, ich mach’s jetzt gleich.«
Sie wandte sich ab, und genau in diesem Moment zerbarst ihr Schädel.
Blutspritzer,
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