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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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müssen, daß er die Eisenbahnangelegenheit bei den Leuten vom Entwicklungsamt vorbringt.«
    Der Mann schnitt eine Grimasse über das ganze Gesicht, so als wollte er andeuten, Bray wisse nicht, wovon er rede. Er schüttelte den Kopf und lachte, äußerst bedacht darauf, sich – und sei’s vor einem Verrückten – deutlich zu machen.
    »Aber das habt ihr natürlich schon getan.«
    »Und was ist dann passiert?« sagte der Mann. Bray lächelte. »Nun, sag’s schon.«
    »Der UTUC sagt nicht, was wir wollen, er sagt uns, was die Gesellschaft will.«
    Stille. Mit einem tiefen Brustzug aus der Zigarette inhalierte er beides – die Gesellschaft, das Entwicklungsamt, eins wie das andere.
    Nun, da genau der richtige Augenblick gekommen war undsich selbst anbot, formulierte Bray seine Einleitung beinahe beiläufig als Frage an den Mann, mit dem er sich gerade unterhielt, wandte sich dann aber noch rechtzeitig an Semstu. »Nun, tut mir leid hören zu müssen, daß die Dinge in deinem Bezirk nicht so gut gehen,
mukwayi
, mein alter Freund. Was aber hältst du von dieser Idee, den Generalsekretär der UTUC zu ernennen, anstatt ihn zu wählen? Das ist ein äußerst wichtiger Posten – ich meine, zum Beispiel bei Problemen wie deinem, da wäre doch der Generalsekretär – vorausgesetzt, er ist der richtige Mann – derjenige, der die Regierung dazu bringen kann, daß sie die Augen aufmacht …«
    »Oh, aber es ist Mweta, der bestimmen wird, wer es ist.«
    »Wir haben doch gerade festgestellt – Mweta hat so viele Entscheidungen zu treffen. Mweta hat derart viel, worüber er sich den Kopf zerbricht.«
    Der alte Mann sagte: »Mweta sucht sicher keinen Narren oder schlechten Mann aus.«
    »Nein, natürlich nicht. Aber wie gesagt, er kann nicht seine Fühler überall haben und wissen, was jeder gerade denkt. Er sollte jemanden haben, der ihn berät, glaubst du nicht …«
    »Ja, ja. Aber wen?« Der alte Mann ging davon aus, daß dafür nur Mwetas eigene Kabinettsmitglieder, Leute seiner eigenen Wahl, in Frage kämen.
    »Leute aus dem Arbeitsministerium. Vielleicht Planungsund-Entwicklungs-Leute.« Zum Mann von der Gewerkschaft gewandt, fügte Bray hinzu: »Diejenigen, gegen die Sie angerannt sind.«
    »Und wer soll besser wissen als Mweta, wer der richtige Mann ist?«
    Die anderen Männer stiegen aus dem Auto und näherten sich vorsichtig. Bray appellierte an sie alle, mit einfachen Worten, ganz offen: »Na, ich würd sagen, die Arbeiter selbst. Sie müssen wissen, wer für sie sprechen soll. Dazu sind Gewerkschaften schließlich da.«
    »Der Generalsekretär soll also weiterhin gewählt werden.« Der alte Mann äußerte die Feststellung, um sie zu betrachten.
    »Bisher war das immer so«, sagte Bray. »Seit Shinza und Mweta die Gewerkschaften gegründet und die Kolonialverwaltung dazu gezwungen haben anzuerkennen, daß die Arbeiter Rechte haben. Seit damals, ohne Unterbrechung.«
    Der alte Mann wehrte sich plötzlich gegen die Richtung, die das Gespräch nahm. »Ah, aber jetzt haben wir ja die Unabhängigkeit. Mweta weiß, was er zu tun hat. Wenn er sich dafür entscheidet, den Mann selbst auszusuchen, dann weiß er auch, warum.«
    Gleich darauf legte er den Kopf unter dem Hut zur Seite, blickte ihn an wie ein Schwerhöriger und deutete mit seiner Pfeife auf Brays Bauch. »Aber du bist ein kluger Mann. Du bist den ganzen Weg mit Mweta und Shinza gegangen, um uns die Unabhängigkeit zu bringen. Dich werden wir nie vergessen. Die Menschen werden sich an dich erinnern wie an unsere Vorväter. Du sprichst es nicht aus, aber was du sagst, heißt, daß du nicht glaubst, daß Mweta das Richtige tut.«
    »Ich sage, daß es – ganz egal, wen Mweta nun auswählt – nicht richtig ist, daß er derjenige sein soll, der wählt. Der UTUC muß seinen Generalsekretär selbst wählen.«
    »Ja, auch das; aber du sagst, daß Mweta etwas Falsches macht.«
    »Ja, ich sage, daß Mweta einen Fehler macht. Und ich werde es ihm auch sagen. Weil er ein großer Mann ist, sage ich es ihm immer, wenn ich glaube, daß er was falsch macht.«
    Das gefiel dem alten Mann; er grinste. »Oh, ich seh, du bist noch stark. – Als die Briten ihn wegzugehen zwangen, da haben wir gesagt, paßt auf, die werden ihn wie einen Stier in ihrem Schiff anbinden müssen …«, aber die jüngeren Männer hatten kein Interesse an den Legenden aus kolonialen Zeiten.
    »Ich höre, daß Shinza Generalsekretär werden möchte.« Es war kühn, aber sein Instinkt trieb ihn, das zu

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