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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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sagen; zum ersten Mal in seinem Leben schien ihm nichts anderes übrigzubleiben, als sich davon leiten zu lassen. Er hätte nicht sagen können, ob sie das von Shinza die ganze Zeit schon gewußt hatten oder nicht und ob es das war, wovor sie insgeheim zurückscheuten. »Shinza, hm?« sagte der alte Mann. »Und dir ist das recht?«
    Bray sagte spontan: »Er war schon früher mal Generalsekretär. Wenn der UTUC ihn will. Kein Mensch versteht die Gewerkschaftsarbeit besser als Shinza.«
    »Ich möchte was mit dir besprechen.« Der alte Mann sah sich nach den anderen um. Sie gingen in der Gruppe geschlossen weg, ließen sich Zeit dabei, die modischen Jacken über die Schultern geworfen. Bray und der alte Mann setzten sich auf den Rücksitz des Autos; obwohl die Türen offenstanden, war es um nichts kühler als draußen. In einem Gestell neben dem Rückspiegel steckte eine Vase mit Wachsrosen. Semstu sagte: »Ist das nicht eine schlechte Sache …«
    Er meinte vielleicht, es sei nicht korrekt, Mwetas Absicht zu durchkreuzen, oder aber er meinte, er habe wenig für die Idee übrig, Shinza zum jetzigen Zeitpunkt in Amt und Würden zu sehen. Es wäre nützlich gewesen, er hätte von Shinza ein bißchen mehr über die jüngste Entwicklung seiner Beziehung zu dem alten Mann in Erfahrung gebracht. »Du willst wissen, was ich glaube? Ich glaube, Mweta braucht Shinza in einer Position wie dieser. Er braucht Shinza« – Bray machte eine abwägende Geste – »›dort oben‹. Shinza ist zu weit weg von ihm.«
    »Ja, in den Bashi unten. Das ist ein weiter Weg. Und Shinza versteht auch die Schwierigkeiten – er hat selbst in den Minen gearbeitet.«
    »Genau. Shinza bedeutet für Mweta ein zweites Paar Augen und ein zweites Paar Ohren, und er versteht auch, was er sieht und hört.«
    »Der Mann, den sie uns in die Ziegeleien hinuntergeschickt haben …« Semstus Zungenschlag schnalzte wie eine Peitsche vor Widerwillen. »Der hatte zwar sein Abgangszeugnis von der Schule, das wohl …«
    Bray ließ ihm noch eine Minute zum Nachdenken. »Goma hat schon wegen der Abstimmung mit mir gesprochen. Die ganze Zeit ist er hinter mir her.«
    »Na, es ist ja auch wichtig. Die fünf Ortsgruppen von Tisolo, du weißt ja.«
    »Aber es hat mir Sorgen gemacht, es könnte eine schlechte Sache sein … weil Mweta bestimmen möchte.«
    »Ich glaube nicht, daß es eine schlechte Sache ist.« Selbst auf gala hörte er noch sein autoritäres und selbstbewußtes Engländergehabe aus seinem Tonfall heraus; genau wie eine Hure, die anständig geworden ist, sich aber eine gewisse Professionalität in ihrem Umgang mit Männern bewahrt hat.
    Semstu redete weiter, über Goma: »Er zieht seinen Kopf so wie ein Geier zwischen die Schultern, schwer, einem Mann zu vertrauen, der wie so ein Vogel aussieht«; Eifersucht auf Mweta, Eifersucht auf Shinza – »jemand von denen muß was ausgeplaudert haben«; die komfortablen Sitze im Luxurama, der erste Kongreß – erinnerte sich Bray noch daran? –, als die Polizei sich die Tagesordnung geschnappt hatte. Als dieses Vorgeplänkel abgeschlossen war und er sich unabhängig genug fühlte, sagte er: »Du kannst Goma ausrichten, daß ich’s tun werde.«
    »Alle fünf Ortsgruppen?«
    »Alle fünf.«
     
    Und das war dann auch schon alles. Er stellte sich vor, wie er zu Shinza sagen würde: Und das war dann auch schon alles. Ich habe meinen Auftrag erfüllt. So einfach geht das. Er ging in das Café, in dem er mit Shinza Würstchen gegessen hatte, verspürte aber keinen Hunger. Nach der kühlen Temperatur im Luxurama waren seine Füße vom Stehen in der Hitze angeschwollen. Seine Uhr klebte an seinem Handgelenk und löste sich mit einem schmatzenden Geräusch von der feuchten Haut und den Haaren, als er sie verschob. Der künstliche Fruchtsaft rotierte und rotierte in seinem Behälter, grell und wolkig. Der griechische Besitzer und seine Frau tranken aus winzigen Tassen türkischen Kaffee. »Könnte ich eine Tasse von
dem
da haben?«
    Im grünlichblassen Gesicht des kleinen Mannes entstanden zwei Grübchen, als er den großen Engländer anlächelte. »Oh, diese Art Kaffee verkaufen wir nicht, das Zeug trinken wir Griechen immer.« »Ich weiß. Ich mag es sehr. Könnte ich eine Tassedavon haben?« Der Mann war amüsiert. »Na, wenn Sie möchten. Ich geb Ihnen eine.« Seine schwangere Frau, die sehr jung war und in deren Armbeuge schwarze Haare einen Flaum bildeten, holte – sie lächelte dabei nicht – eine Tasse. In der

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