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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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die Pensionierung einem Paar mit gutem Einvernehmen jenseits der Leidenschaft verspricht. Ein (letztes?) Zucken der Prostata, und das war’s.
     
    Boxers Haus sah geschlossen aus; die Kinder des Dienstpersonals nutzten die großartige Gelegenheit, auf der Veranda zu spielen. Die Küche an der Rückseite des Hauses war von geselligem Leben erfüllt – der Koch und seine Freunde waren da inmitten der breiüberkrusteten Töpfe, die im Wasser weichten, der Krüge, in denen die Milch zum Sauerwerden aufgestellt war, des Geruchs von Fleisch, das auf dem Ofen briet, und des Biers, das aus Marmeladedosen getrunken wurde. Der Koch gab Bray gastfreundlich einen Schluck von dem dünnen, sauren Stoff – in einem Glas, wie es einem Weißen zustand – und gab ihm einen Jungen mit, der ihn zu Shinza führen sollte. Von den Rinderpferchen rundum flimmerte die Hitze, aber Bray hatte – draußen im Busch, der nicht die kleinen Fluchtlöcher besaß, wie sie sich im Unterschlupf der Stadt fanden – nun schon seine Lungen damit gefüllt, und sein Körper hatte wieder gelernt, in ihr zu leben, sie einzuziehen und auszuschwitzen, ohne sich dagegen zu wehren – ein perfekt angepaßter Organismus, der genau die Temperatur beibehält, die die Umgebung hat: eins mit ihr.
    Shinza und Basil Nwanga befanden sich in einem kleinen selbsterbauten Haus europäischen Stils, das dem Lehrer an der Farm-Schule gehörte. Shinza drängte ihm die gekochte Keule eines Geflügels auf, die er in der Hand hielt – »Nein, nimm schon, nimm schon.« »Aber ich kann mir ja was anderes nehmen – ich werd mich schon bedienen …« »Nimm’s, Mann« – Nwanga grinste – »er hat sich schon alles geschnappt, was da war …« »Und wer hat die andere Keule gegessen?« sagte Shinza herausfordernd.
    »
Du!
Schau dir deinen Teller an, Mann, was ist das für ein Knochen …«
    Shinza hielt den Knochen, in die Höhe und rief die Welt zum Zeugen auf: »Was meinst du mit Knochen? Das ist ein Flügelknochen, he?« Nwanga fuhr mit einem großen, fettigen Finger in Shinzas Teller. »
Da, da
, und was ist mit dem großen da – zeig keinen Mist her, immer ehrlich, hörst du – du hast die Keule genommen, Colonel, nehmen Sie’s, Sie kriegen’s nicht umsonst, machen Sie sich deswegen keine Gedanken …« Lachen. Shinzagriff den Knochen, den der junge Mann hervorgeschaufelt hatte, und warf ihn einem gelben Köter hin, der ihn noch im Flug aufschnappte. »Er hat die Indizien vernichtet!« schrie Basil Nwanga und schlug dabei mit seinen Handflächen auf den Tisch.
    »Schick den Jungen hinauf zum Haus um mehr Bier.« Und zu Bray: »Man braucht bloß das Wort Alkohol zu erwähnen, und schon läßt Nwanga alles fallen. – Und sag, daß wir diesmal einen großen Topf voll möchten, keine gottverdammten Limonadeflaschen. Die machen gutes Bier hier, das beste, das ich seit Jahren getrunken habe, seit dem wirklich guten Bier –
wirklich
gut, hm? –, das meine Frau immer gebraut hat, weißt du, meine erste Frau, die Lange. Einen großen Topf voll, Nwanga …«
    In einer Pantomime großer Eile ging der fette Nwanga zur Tür hinüber, um unter den Kindern im Hof einen Freiwilligen herbeizurufen.
    »Du scheinst hier ja ganz zu Hause zu sein.«
    »Oh, sicher. Es sind lauter Brüder meines Schwiegervaters. Ich herrsche über ihr Bier.«
    Bray wies in die Runde. »Nicht nur ihr Bier.«
    Shinza lächelte angesichts der Tatsache, wie nebensächlich es war, wo sie sich gerade aufhielten. »Im Zweifelsfall tun sie alles für mich. Willst du heute im Haus oben übernachten?« Er hatte vergessen, daß Bray ohnehin ein Freund des Besitzers war.
    »Schau mal, Edward, wenn du mir eine Nachricht zukommen läßt, warum, zum Teufel, drückst du dich nicht ein wenig präziser aus? Das ist ein riesiger Besitz. – Oh, mir ist klar, daß jedermann hier weiß, wo du dich versteckst – aber es ist nicht nur eine Frage des Ortes, es ist auch eine Frage der Zeit. Ich weiß nie, ob du dich drei Tage hier aufhältst oder nur einen, ich weiß nie, wie lange ich damit rechnen kann, dich nicht zu verpassen, und nimm mal an, ich kann aus irgendeinem Grund nicht einfach alles liegen- und stehenlassen, um auf der Stelle zu kommen.«
    »Dann bin ich selbstverständlich da, bis du kommst.«
    Sie lachten. Nwanga sagte: »Wie war denn die Sonntagsschulveranstaltung?« Er meinte die Parteikundgebung.
    »Wir haben gehört, daß du da warst«, sagte Shinza. »Asahe ist der Mann, der mich hinter Schloß und Riegel

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