Der Ehrengast
Sommerhäuschen im Garten meinte. Bray zuliebe sagte sie: »O nein, das wird nicht abgerissen. Das möchte ich wieder hübsch herrichten.«
Olivia hatte es gebaut – oder, richtiger, sie hatte es bauen lassen, und die Gefangenen waren mit ihren Bewachern herübergekommen, um die Wände aus Lehm und Flechtwerk aufzurichten und das Stroh zu binden (Verpflegung mit Tee und Brot durch die Küche des D. C.). Es war für die Kinder vorgesehen, die kleinen Mädchen, die sich dort drinnen mit den Kleidern ihrer Mutter kostümierten und mit ihrer englischen Gouvernante spielten – jenem Mädchen mit den sommersprossigen Beinen und den feuerrot leuchtenden Haaren darauf, das sich (sagteOlivia) in ihn verliebt hatte. Aber für ihn war das jetzt Alekes Haus; wenn er den Fächer aus steilen, unebenen Verandastufen hinaufstieg oder die Zimmer betrat, erinnerte er sich kaum mehr daran, hier gelebt zu haben.
Kaum einen Monat lang hatte Mweta Ruhe. Wenn er glaubte, den Rebellen in der Gewerkschaft eine Abfuhr erteilt zu haben, so waren die privilegierten Arbeiter, die mit den Rebellen keine gemeinsame Sache gemacht hatten, keineswegs eingeschüchtert. Die »loyalen« Bergleute erneuerten ihre alte Forderung, die gleichen Löhne wie die ausländischen weißen Kumpel zu bekommen. Diese Forderung hatte Mweta damals mit seinem berühmten Argument der »leeren Hand« zurückgewiesen. In der Öffentlichkeit beteiligte er sich vorläufig nicht an der Diskussion, weil zuerst Ndisi Shunungwa, sein »kommender Mann«, dann der Staatssekretär des Arbeitsministers und schließlich der Bergbauminister persönlich, Talisman Gwenzi, in der Sache vermittelten. Auf den Schreibtischen von Bray und Aleke lag Morgen für Morgen die Zeitung des vergangenen Tages, die die täglichen Berichte über Versammlungen und Gespräche brachte, deren Ergebnis – das Scheitern – »nicht bekanntgegeben« wurde. Aleke bemerkte: »Mweta sollte ihnen die Leviten lesen – er ist der einzige, auf den sie hören.« Bray sagte nicht: Daß das notwendig ist, kann er jetzt nicht zugeben. »Dazu hat er ja Gwenzi.« Aber für Leute, die lange Zeit hindurch von gesichtslosen Mächten von jenseits der Meere regiert worden waren, war es schwer, nicht nur im Gesicht jenes Mannes den Inbegriff der Autorität zu sehen, der die Macht in ihrem Namen übernommen hatte. Bisher war die »Regierung« die ausländische, abstrakte Macht gewesen; der »Führer« war ihr eigen Fleisch und Blut.
Er fragte sich, ob – für Shinza – jetzt vielleicht eine jener seltsamen Ruhepausen eintreten würde; eine der scheinbar unerklärlichen Unterbrechungen im politischen Leben Afrikas, in denen sich einer, genau in dem Augenblick, da er zugreifen zu wollen scheint, abwendet. Er hatte sich (mit einem Gefühl starken Unbehagens) vorgestellt, wie Shinza im Öffnungsspalt jener nachHolzrauch und saurem Baby riechenden Hütte verschwunden war, wie er redete, rauchte, während im Hof draußen in einem Bündel aus Lumpen ein alter Körper lag und auf seinen Tod wartete, wartete, wie Shinza wartete – worauf, ob auf Zeichen oder Zeit, Bray wußte es nicht. Shinza aber ließ ihn zu Boxers Ranch rufen. Sie hatten gerade den Tag am See verbracht, auf ihrer Insel – er und das Mädchen. Es war viel zu heiß, und sie war in der vollen Kriegsbemalung der Sonne; Streifen hellen Rots die Schienbeine und Unterschenkel hinunter, quer über die Nase, die Jochbeine und die hohe runde Stirn. »Hoffentlich kriegst du keinen Hitzschlag«; sie aber küßte ihn mit brennenden, geschwollenen Lippen, die verrieten, daß sie bereit war zur Liebe. Sie waren beide ziemlich erschöpft, und das schien ihrer Sinnlichkeit eine nervöse Gespanntheit zu geben; seit seiner Rückkehr war die Dringlichkeit in ihnen konstant – manchmal mußte er nach ihrer Hand fassen, um sie gegen sein Geschlecht zu drücken.
Unter der alten, verrosteten Dusche sagte sie dann zwischen Luftschnappen und Schlucken: »Das hab ich ganz vergessen – der alte Boxer ist hier aufgetaucht, während du weg warst. Hat dich im
boma
gesucht.«
»Bleib noch ein bißchen drunter, du hast vielleicht etwas erhöhte Temperatur.«
Ihr Haar leitete Ströme über ihr Gesicht, sie preßte ihre Oberschenkel aneinander und stand mit nach innen gekehrten Füßen im kalten Wasser da. Sie schrie: »Er wird nicht auf seiner Ranch sein.«
»Woher weißt du das?« Gut, daß ihre Augen geschlossen waren; die Dusche rülpste ein totes Insekt mit langen, faserartigen,
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