Der Ehrengast
Garten vergraben lag.»Aleke, Lebaliso hat einen Mann zwei Monate und siebzehn Tage lang eingesperrt.«
»Nach dem, was man mir erzählt hat, war das ein echter Unruheherd. Ich mein, die Sache geht mich nichts an, abgesehen davon, daß mir das Wohlergehen der Provinz am Herzen liegt. Sieht man es von dieser Seite, dann wird von mir erwartet, daß ich die Dinge im Auge behalte. Wenn es danach aussieht, daß es Schwierigkeiten geben könnte, möchte ich einfach wissen, was man von mir erwartet« – mitten im Satz änderte er seine Meinung darüber, was er nun sagen sollte – »das soll heißen, ich muß mehr oder weniger im Bilde sein.«
»Und was Sie sehen, ist, daß Lebaliso das Gesetz in eigene Hände nimmt.«
Aleke war freundlich, versuchte den leisen Spott heraufzubeschwören, mit dem sie sich beide über Lebaliso lustig gemacht hatten. »Natürlich hab ich am Anfang zu ihm gesagt, der Richter ist der, zu dem Sie mit Ihren Problemen gehen müssen. Nicht ich. Aber es sieht so aus, als hätte man mit diesem Burschen auf alle Fälle etwas unternehmen müssen. Die wollten über ihn ein bißchen mehr in Erfahrung bringen.«
Bray sagte: »War’s Onabu, der daran interessiert war?« Aaron Onabu war der Polizeichef der Hauptstadt.
Alekes Reaktion war eher Zustimmung als Antwort. »Ich denke schon.«
Bray sagte, jedes Wort gleichmäßig betonend: »Und ich habe von niemandem in Gala auch nur ein Wort gehört.«
»Naja, Sie hatten anderes zu tun, als über den alten Lebaliso da oben nachzudenken …« Die Hand winkte in Richtung Gefängnis, jenseits der Bäume, hinter dem Ort. »Wir haben alle genug am Hals. Aber dieses Mädchen, Bray – ich kann Ihnen sagen, mein Leben ist jetzt ganz anders geworden. Will ich was, dann ist es da. Vergesse ich etwas, dann hat sie daran gedacht. Und Sie sollten ihr auch alles geben, was Sie erledigt haben möchten. Wenn Sie Ihre Berichte getippt haben möchten. Sie macht das schon; sie ist ein Arbeitstier, Mann.«
Brays Augen folgten dem surrenden Ventilatorkopf, wie er sich nach links drehte, dann zur Mitte, nach rechts, wieder zurück, nach links, zur Mitte, nach rechts, und wieder zurück. Er wollte fragen: Und sind noch andere dort oben – bei Lebaliso? Aber das Telefon läutete, und während Alekes warme, lebendige Stimme sich in fröhlichem Gala senkte und hob, spürte er die Sinnlosigkeit, diese Angelegenheit weiter über Aleke zu verfolgen, und ging, indem er ein Zeichen gab, mit dem er sich selbst entließ, aus dem Raum.
In seinem Büro machte er sich daran, in die Akten, die er da aufbewahrte, etwas Ordnung zu bringen; sie wanderten ständig zwischen dem
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und dem Haus hin und her. Das Büro hatte er nicht zur alleinigen Verfügung, und Godfrey Letanka, der Bürogehilfe, nahm beim Aus-und-Eingehen Rücksicht auf ihn. Er gab ihm etwas, das getippt werden mußte; er brachte es nicht über sich, das Mädchen auszunutzen. Die Hitze wurde größer und füllte den kleinen Raum; er stand am Fenster und blickte über die Siedlung hinweg, die hinter schützenden Bäumen versteckt lag. Um zwölf Uhr kam wieder Leben in sie – Fahrräder, die ihre Besitzer in den Stadtteil der Schwarzen zum Lunch heimbrachten, schwarze, sich hebende und senkende Füße, Schreie, Reden, ungeduldiges Glockengeklingel. Er ging hinaus, und die Hitze der hinter Wolken versteckten Sonne fiel schwer auf seinen Kopf; er hatte das Gefühl, daß er in Wirklichkeit gar nicht hier, in Gala, war: daß ihm die Außenwelt abhanden gekommen war. Oder umgekehrt, daß er etwas in sich herumtrüge, das ihn von all diesen Menschen trennte, die unschuldig, nicht davon infiziert waren. Was tat er da, mitten unter ihnen? In Joosabs Laden gab er eine Hose mit kaputtem Reißverschluß ab; Joosab saß beim Nähen, er brachte verschiedene Lagen von Zwischenfutter auf einem Rockaufschlag an, über seiner Nähmaschine die nackte Birne, an der Wand Mweta. Joosabs Schwager und Schwiegermutter waren kürzlich aus Mekka zurückgekommen, und der Schwager war gerade im Laden, auf dem Kopf seinen weißen Turban. »Wieder daheim, Colonel.« Joosab freute sich mit ihnen und feiertedie beiden Weitgereisten – den einen, der aus dem Busch, den anderen, der von einer Pilgerfahrt zurückgekehrt war. »Auch du kommst noch dran, auch du kommst noch dran, Ismail.« Der Schwager sprach großzügig Mut zu, im vollen Bewußtsein des Gewichts der Rolle, die ihm zugefallen war. »Mehr als fünfzehn Jahre jetzt, ich hab immer wieder
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