Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
Körper unter der Eisenrüstung. Im Morgenland mochte das nicht Sitte sein, aber hier passte er sich an. Und sein Gesicht verschwand hinter dem dichten Visier. Er lüftete dies aber, als er seinen ersten Kampf gewonnen hatte, und verbeugte sich artig vor den Mädchen.
»Und er sieht auch noch gut aus!«, seufzte Chiara. »Dieses lange, dunkle Haar. Er hat Züge wie ein junger Adler … ein edler Heide, wie im Parzival … Hast du das Buch gelesen, Gisela? Wir haben bislang nur die Geschichten gehört, aber der Herr Wolfram von Eschenbach schrieb doch in deiner Sprache.«
Gisela kannte nicht nur das Lied, sondern hatte auch den Dichter kurz am Hofe ihrer Ziehmutter kennengelernt. Elena und Chiara verzehrten sich vor Neid und bestürmten sie mit Fragen.
Konstanze kannte die Dichtung nicht, aber das Gesicht desSarazenen sprach sie auch ganz unabhängig von irgendwelchen literarischen Vorlagen an. Diese wachen, aber seelenvollen dunklen Augen, die edlen Züge … Konstanze hatte sich die Sarazenen immer viel dunkler vorgestellt – wie Mohren eben. Aber die Haut des Manic oder Maloc, oder wie er heißen mochte, war kaum gebräunter als die vieler italienischer und französischer Ritter.
In diesem Augenblick verkündete der Herold den Sieg des Sarazenen. Konstanze hätte gern gewusst, wie der junge Ritter wirklich hieß.
Nach drei weiteren Kämpfen war dann Armand wieder an der Reihe. Das Turnier wurde in einer Art Ausscheidungswettkampf entschieden: Wer seinen Gegner schlug, war eine Runde weiter. Armand und der Sarazene blieben auch in ihren beiden nächsten Kämpfen Sieger.
Armand hatte jetzt jedoch Schwierigkeiten. Er hatte lange keine Rüstung getragen, und die Anstrengungen des Kreuzzuges steckten ihm noch in den Knochen. Sein Rücken schmerzte wieder, und es fiel ihm schwer, die Lanze erneut einzulegen. Dazu war sein vierter Gegner ein sehr großer, kräftiger Ritter – zum Glück allerdings schon deutlich betrunken. Armand brachte ihn schnell aus dem Sattel, hatte dann aber einen schweren Stand beim Schwertkampf. Berauscht oder nicht, Herr Gottfried von Niederbayern schlug kraftvoll und erbarmungslos immer wieder zu. Armand war schon nahe daran, aufzugeben, aber dann gelang ihm doch noch eine Finte. Der Ritter strauchelte, und Armand setzte ihm das Schwert an die Kehle. Dann half er ihm freundschaftlich auf.
»Ein guter Kampf, Herr Gottfried!«
Der Bayer grinste. »Desgleichen, Monseigneur Armand! Beim nächsten Mal werde ich dem Wein entsagen, dann schlage ich Euch!«
Die beiden Streiter verbeugten sich vor der Ehrentribüne,und Donna Maria Grazia reichte dem Bayern ein Geschenk. Er hatte zu den vier letzten Kämpfern gehört, Armand war damit in der Endausscheidung. Vorher hatte sich schon der Sarazene qualifiziert.
Gisela griff unglücklich nach einem Becher Wein. »Schade, ich hatte so gehofft, wir gewinnen«, seufzte sie, vorsichtshalber das Getränk großzügig mit Wasser verdünnend.
Elena nickte. »Gegen diesen Sarazenen Kamel, oder wie auch immer er heißt, hat dein Armand keine Chance.«
»Zumindest zurzeit nicht!«, schwächte Gisela ab. »Wenn er nicht verletzt gewesen wäre!«
Chiara stimmte ihr zu. »Eigentlich sind sie sicher gleich stark. Aber heute siegt der Sarazene. Ob ich ihn küssen darf? Oh, lass mir den Vortritt, Elena, du bist schon verlobt!«
Elena und Gisela waren so freundlich, sie nicht an die glühenden Blicke zu erinnern, die sie kurz zuvor noch mit Pietro getauscht hatte. Konstanze sagte nichts, verfolgte das Anreiten des Sarazenen aber mit unerwarteter Spannung. Du wirst den Sieger küssen … Chiaras übermütiges Versprechen vom Morgen. Womöglich hatte sie Donna Maria ja wirklich gefragt. Aber ob Konstanze es tatsächlich wagen würde, sich dem Fremden zu nähern? Bei irgendeinem der anderen Teilnehmer hätte es ihr nicht so viel ausgemacht, aber gegenüber dem Sarazenen war sie befangen. Sie wünschte fast, Armand würde gewinnen.
Doch dann sorgte der Ritter aus dem Morgenland für eine überraschende Wendung. Als der Herold ankündigte, dass er als Nächstes gegen Armand de Landes reiten würde, hob er das Visier und ritt auf den Ehrenbaldachin zu.
»Verzeiht mir, Don Guillermo«, sagte er in langsamem, aber völlig korrektem Italienisch. »Aber ich vermag gegen Monseigneur Armand de Landes nicht zu kämpfen. Ich habe geschworen, gegen diesen Ritter nie die Waffen zu erheben, und daran möchte ich mich halten. Dies ist zwar nur ein Spiel, aber wir sind
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