Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
die Nachkommen der Menschen rühren, die Euer Kreuzfahrerheer vor gerade mal hundert Jahren bestialisch abgeschlachtet hat? Jerusalem schwamm damals im Blut – dem von Alten und Jungen, Männern, Frauen und Kindern, Moslems und Juden, und die Christen haben sie gleich mit umgebracht. Gott würde die Seelen dann schon auseinanderhalten,hieß es. Glaubt mir, Fräulein Gisela, wir brauchen keine Aufrufe zum Heiligen Krieg, keine Sündenvergebung und keine Wunder, um unsere Männer zu den Waffen zu rufen! Die treibt der blanke Hass! Weder Euer Papst noch Euer Gott kann naiv genug sein, ihnen ein Heer von Kindern entgegenzuschicken!«
»Wer steckt denn deiner Ansicht nach hinter der ganzen Geschichte?«, fragte Armand den Prinzen – schon um die Gemüter ein wenig zu beruhigen. »Du hast doch auch von dem Kreuzzug in Frankreich gehört, oder?«
Malik nickte. »Sicher. Eine Menge Sklaven für den Markt in Ägypten.«
»Sklaven?«, fragte Konstanze entsetzt. »Wieso Sklaven? Ich denke, das Meer hat sich nicht geteilt für diesen Stephan!«
»Nein«, gab Malik gelassen zurück. »Zu seiner größten Verwunderung, habe ich mir sagen lassen. Aber kurz darauf erklärten sich zwei christliche Kaufleute bereit, ein paar Tausend Kinder ins Heilige Land zu befördern. Fünftausend sollen sie verschifft haben.«
»Für Gotteslohn?«, fragte Gisela.
»So könnte man es nennen«, lächelte Malik. »Aber die Kerle verfolgen natürlich ganz eigene Ziele. Ich weiß nicht, auf welchem Sklavenmarkt es enden wird. Vielleicht Messina oder Korsika. Obgleich – das Wahrscheinlichste ist Alexandria. Da erzielt man sicher die höchsten Preise.«
»Das ist ja furchtbar!«, ereiferte sich Gisela. »Können wir nicht … Könntet ihr nicht …?« Sie schaute Hilfe suchend von Malik zu Armand.
Armand dachte weniger an die betroffenen Kinder, sondern hegte politische Überlegungen. Er runzelte die Stirn. »Also steckten einfach Sklavenhändler hinter der ganzen Geschichte? Alles arrangiert für den Markt in Ägypten?«
Der junge Ritter wirkte fast enttäuscht. Schließlich sinnierte er seit Wochen über mögliche Verschwörungen.
Malik schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Das wäreviel zu kompliziert und aufwendig. Nein, nein, die Sklavenhändler nutzten nur die Gunst der Stunde. Hinter dem Kinderkreuzzug steckt dieser Franziskus.«
Malik erwähnte den Namen eher beiläufig, aber Armand fuhr auf wie von der Tarantel gestochen. »Das meinst du also auch? Die Minoritenbrüder? Aber warum? Was versprechen sie sich davon?«
Malik zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht. Aber ihr Oberhaupt ist ebenfalls nach Alexandria unterwegs oder plant es zumindest. Mit der gleichen Absicht: Bekehrung durch ein Wunder. Wahrscheinlich gedenkt Franziskus, sich da mit den Kindern zu vereinigen.«
»Das könnte sein Plan sein«, überlegte Armand. »Vielleicht regt sich das Gewissen des Mannes, und er will sich jetzt selbst an die Spitze der Bewegung setzen. Gedenkt er denn auch, übers Meer zu spazieren, oder nimmt er ein Schiff?«
Malik lachte. »Ein Schiff, soweit ich weiß, von Messina aus. Der König von Sizilien hat versucht, ihn von der Idee abzubringen, aber da ist nichts zu machen.«
»Also die gleiche Route wie die französischen Kinder«, meinte Armand. »Bist du sicher mit den Sklavenhändlern? Ich meine … ich weiß ja nicht, wer hinter diesem Stephan steckte, aber da gab es doch bestimmt auch einen Bruder Bernhard oder einen Bruder Leopold. Und die sind nicht dumm.«
»Aber Stephan ist viel älter als Nikolaus!«, warf Konstanze ein. »Wenn dem der Ruhm genauso zu Kopf gestiegen ist, hat er sich womöglich nichts mehr sagen lassen.«
»Oder die Mönche erwarten das Zusammentreffen mit ihrem Meister in Alexandria und nehmen an, dass der die Sklavenhändler schon bezwingt«, fügte Malik hinzu.
Armand zuckte die Achseln. »Mit Engelszungen reden soll er ja können. Und wenn er obendrein Weisung vom Papst hat und mit Exkommunikation droht … die Händler sind doch Christen, oder?«
Malik nickte. »Hugo Ferreus und William de Posqueres. Kaufleute aus Marseille.«
»Trotzdem bleibt die Frage, was Franziskus davon hat«, sinnierte Konstanze. »Glaubt er wirklich an diese Sendung? Ich meine … ein paar Kinder und einfache Menschen sind eine Sache. Aber die Kirche? Ein Mann wie Franz von Assisi? Er muss doch wissen, wie die Stimmung im Heiligen Land ist … Wie kann er erwarten …?«
Konstanze hielt inne. Im Grunde war es
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